Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Gesellschaft zu finden, und machen sich's zur Aufgabe,
die rechte Gesellschaft zu entdecken. Es ist das nur die
alte Erscheinung, daß man die Schuld zuerst in allem Ande¬
ren als in sich sucht; also im Staate, in der Selbstsucht der
Reichen u. s. w., die doch gerade unserer Schuld ihr Dasein
verdanken.

Die Reflexionen und Schlüsse des Communismus sehen
sehr einfach aus. Wie die Sachen dermalen liegen, also
unter den jetzigen Staatsverhältnissen, stehen die Einen gegen
die Andern, und zwar die Mehrzahl gegen die Minderzahl im
Nachtheil. Bei diesem Stande der Dinge befinden sich jene
im Wohlstande, diese im Nothstande. Daher muß der
gegenwärtige Stand der Dinge, d. i. der Staat (status =
Stand) abgeschafft werden. Und was an seine Stelle? Statt
des vereinzelten Wohlstandes -- ein allgemeiner Wohl¬
stand
, ein Wohlstand Aller.

Durch die Revolution wurde die Bourgeoisie allmächtig
und alle Ungleichheit dadurch aufgehoben, daß Jeder zur
Würde eines Bürgers erhoben oder erniedrigt wurde: der
gemeine Mann -- erhoben, der Adlige -- erniedrigt; der
dritte Stand wurde einziger Stand, nämlich Stand der --
Staatsbürger. Nun replicirt der Communismus: Nicht
darin besteht unsere Würde und unser Wesen, daß Wir alle
-- die gleichen Kinder des Staates, unserer Mutter, sind,
alle geboren mit dem gleichen Anspruch auf ihre Liebe und
ihren Schutz, sondern darin, daß Wir alle für einander
da sind. Dieß ist unsere Gleichheit oder darin sind Wir
gleich, daß Ich so gut als Du und Ihr alle, jeder für den
Andern, thätig sind oder "arbeiten", also darin, daß jeder von
Uns ein Arbeiter ist. Nicht auf das kommt es Uns an,

in der Geſellſchaft zu finden, und machen ſich's zur Aufgabe,
die rechte Geſellſchaft zu entdecken. Es iſt das nur die
alte Erſcheinung, daß man die Schuld zuerſt in allem Ande¬
ren als in ſich ſucht; alſo im Staate, in der Selbſtſucht der
Reichen u. ſ. w., die doch gerade unſerer Schuld ihr Daſein
verdanken.

Die Reflexionen und Schlüſſe des Communismus ſehen
ſehr einfach aus. Wie die Sachen dermalen liegen, alſo
unter den jetzigen Staatsverhältniſſen, ſtehen die Einen gegen
die Andern, und zwar die Mehrzahl gegen die Minderzahl im
Nachtheil. Bei dieſem Stande der Dinge befinden ſich jene
im Wohlſtande, dieſe im Nothſtande. Daher muß der
gegenwärtige Stand der Dinge, d. i. der Staat (status =
Stand) abgeſchafft werden. Und was an ſeine Stelle? Statt
des vereinzelten Wohlſtandes — ein allgemeiner Wohl¬
ſtand
, ein Wohlſtand Aller.

Durch die Revolution wurde die Bourgeoiſie allmächtig
und alle Ungleichheit dadurch aufgehoben, daß Jeder zur
Würde eines Bürgers erhoben oder erniedrigt wurde: der
gemeine Mann — erhoben, der Adlige — erniedrigt; der
dritte Stand wurde einziger Stand, nämlich Stand der —
Staatsbürger. Nun replicirt der Communismus: Nicht
darin beſteht unſere Würde und unſer Weſen, daß Wir alle
— die gleichen Kinder des Staates, unſerer Mutter, ſind,
alle geboren mit dem gleichen Anſpruch auf ihre Liebe und
ihren Schutz, ſondern darin, daß Wir alle für einander
da ſind. Dieß iſt unſere Gleichheit oder darin ſind Wir
gleich, daß Ich ſo gut als Du und Ihr alle, jeder für den
Andern, thätig ſind oder „arbeiten“, alſo darin, daß jeder von
Uns ein Arbeiter iſt. Nicht auf das kommt es Uns an,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0164" n="156"/>
in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu finden, und machen &#x017F;ich's zur Aufgabe,<lb/>
die <hi rendition="#g">rechte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi> zu entdecken. Es i&#x017F;t das nur die<lb/>
alte Er&#x017F;cheinung, daß man die Schuld zuer&#x017F;t in allem Ande¬<lb/>
ren als <hi rendition="#g">in &#x017F;ich</hi> &#x017F;ucht; al&#x017F;o im Staate, in der Selb&#x017F;t&#x017F;ucht der<lb/>
Reichen u. &#x017F;. w., die doch gerade un&#x017F;erer Schuld ihr Da&#x017F;ein<lb/>
verdanken.</p><lb/>
              <p>Die Reflexionen und Schlü&#x017F;&#x017F;e des Communismus &#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;ehr einfach aus. Wie die Sachen dermalen liegen, al&#x017F;o<lb/>
unter den jetzigen Staatsverhältni&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;tehen die Einen gegen<lb/>
die Andern, und zwar die Mehrzahl gegen die Minderzahl im<lb/>
Nachtheil. Bei die&#x017F;em <hi rendition="#g">Stande</hi> der Dinge befinden &#x017F;ich jene<lb/>
im <hi rendition="#g">Wohl&#x017F;tande</hi>, die&#x017F;e im <hi rendition="#g">Noth&#x017F;tande</hi>. Daher muß der<lb/>
gegenwärtige <hi rendition="#g">Stand</hi> der Dinge, d. i. der Staat (<hi rendition="#aq">status</hi> =<lb/>
Stand) abge&#x017F;chafft werden. Und was an &#x017F;eine Stelle? Statt<lb/>
des vereinzelten Wohl&#x017F;tandes &#x2014; ein <hi rendition="#g">allgemeiner Wohl¬<lb/>
&#x017F;tand</hi>, ein <hi rendition="#g">Wohl&#x017F;tand Aller</hi>.</p><lb/>
              <p>Durch die Revolution wurde die Bourgeoi&#x017F;ie allmächtig<lb/>
und alle Ungleichheit dadurch aufgehoben, daß Jeder zur<lb/>
Würde eines <hi rendition="#g">Bürgers</hi> erhoben oder erniedrigt wurde: der<lb/>
gemeine Mann &#x2014; erhoben, der Adlige &#x2014; erniedrigt; der<lb/><hi rendition="#g">dritte</hi> Stand wurde einziger Stand, nämlich Stand der &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Staatsbürger</hi>. Nun replicirt der Communismus: Nicht<lb/>
darin be&#x017F;teht un&#x017F;ere Würde und un&#x017F;er We&#x017F;en, daß Wir alle<lb/>
&#x2014; die <hi rendition="#g">gleichen Kinder</hi> des Staates, un&#x017F;erer Mutter, &#x017F;ind,<lb/>
alle geboren mit dem gleichen An&#x017F;pruch auf ihre Liebe und<lb/>
ihren Schutz, &#x017F;ondern darin, daß Wir alle <hi rendition="#g">für einander</hi><lb/>
da &#x017F;ind. Dieß i&#x017F;t un&#x017F;ere Gleichheit oder darin &#x017F;ind Wir<lb/><hi rendition="#g">gleich</hi>, daß Ich &#x017F;o gut als Du und Ihr alle, jeder für den<lb/>
Andern, thätig &#x017F;ind oder &#x201E;arbeiten&#x201C;, al&#x017F;o darin, daß jeder von<lb/>
Uns ein <hi rendition="#g">Arbeiter</hi> i&#x017F;t. Nicht auf das kommt es Uns an,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0164] in der Geſellſchaft zu finden, und machen ſich's zur Aufgabe, die rechte Geſellſchaft zu entdecken. Es iſt das nur die alte Erſcheinung, daß man die Schuld zuerſt in allem Ande¬ ren als in ſich ſucht; alſo im Staate, in der Selbſtſucht der Reichen u. ſ. w., die doch gerade unſerer Schuld ihr Daſein verdanken. Die Reflexionen und Schlüſſe des Communismus ſehen ſehr einfach aus. Wie die Sachen dermalen liegen, alſo unter den jetzigen Staatsverhältniſſen, ſtehen die Einen gegen die Andern, und zwar die Mehrzahl gegen die Minderzahl im Nachtheil. Bei dieſem Stande der Dinge befinden ſich jene im Wohlſtande, dieſe im Nothſtande. Daher muß der gegenwärtige Stand der Dinge, d. i. der Staat (status = Stand) abgeſchafft werden. Und was an ſeine Stelle? Statt des vereinzelten Wohlſtandes — ein allgemeiner Wohl¬ ſtand, ein Wohlſtand Aller. Durch die Revolution wurde die Bourgeoiſie allmächtig und alle Ungleichheit dadurch aufgehoben, daß Jeder zur Würde eines Bürgers erhoben oder erniedrigt wurde: der gemeine Mann — erhoben, der Adlige — erniedrigt; der dritte Stand wurde einziger Stand, nämlich Stand der — Staatsbürger. Nun replicirt der Communismus: Nicht darin beſteht unſere Würde und unſer Weſen, daß Wir alle — die gleichen Kinder des Staates, unſerer Mutter, ſind, alle geboren mit dem gleichen Anſpruch auf ihre Liebe und ihren Schutz, ſondern darin, daß Wir alle für einander da ſind. Dieß iſt unſere Gleichheit oder darin ſind Wir gleich, daß Ich ſo gut als Du und Ihr alle, jeder für den Andern, thätig ſind oder „arbeiten“, alſo darin, daß jeder von Uns ein Arbeiter iſt. Nicht auf das kommt es Uns an,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/164
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/164>, abgerufen am 25.11.2024.