Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Bischofs von Autun und Barrere's den Schein, als sei Jeder,
der Einzelne, von Bedeutung in der Gesetzgebung: sie zeigte
die völlige Machtlosigkeit der Committenten: die Majo¬
rität der Repräsentanten ist Herrin geworden. Als
am 9. Juli der Plan über Eintheilung der Verfassungsarbeiten
vorgetragen wird, bemerkt Mirabeau: "Die Regierung habe
nur Gewalt, kein Recht; nur im Volke sei die Quelle alles
Rechts zu finden." Am 16. Juli ruft ebenderselbe Mirabeau
aus: "Ist nicht das Volk die Quelle aller Gewalt?" Also
die Quelle alles Rechts und die Quelle aller -- Gewalt!
Beiläufig gesagt, kommt hier der Inhalt des "Rechts" zum
Vorschein: es ist die -- Gewalt. "Wer die Gewalt hat,
der hat das Recht."

Das Bürgerthum ist der Erbe der privilegirten Stände.
In der That gingen nur die Rechte der Barone, die als
"Usurpationen" ihnen abgenommen wurden, auf das Bürger¬
thum über. Denn das Bürgerthum hieß nun die "Nation".
"In die Hände der Nation" wurden alle Vorrechte zurück¬
gegeben. Dadurch hörten sie auf, "Vorrechte" zu sein: sie
wurden "Rechte". Die Nation fordert von nun an Zehnten,
Frohndienste, sie hat das Herrengericht geerbt, die Jagdgerech¬
tigkeit, die -- Leibeigenen. Die Nacht vom 4. August war
die Todesnacht der Privilegien oder "Vorrechte" (auch Städte,
Gemeinden, Magistrate waren privilegirt, mit Vorrechten und
Herrenrechten versehen), und endete mit dem neuen Morgen
des "Rechtes", der "Staatsrechte", der "Rechte der Nation".

Der Monarch in der Person des "königlichen Herren"
war ein armseliger Monarch gewesen gegen diesen neuen Mo¬
narchen, die "souveraine Nation". Diese Monarchie war
tausendfach schärfer, strenger und consequenter. Gegen den

Biſchofs von Autun und Barrère's den Schein, als ſei Jeder,
der Einzelne, von Bedeutung in der Geſetzgebung: ſie zeigte
die völlige Machtloſigkeit der Committenten: die Majo¬
rität der Repräſentanten iſt Herrin geworden. Als
am 9. Juli der Plan über Eintheilung der Verfaſſungsarbeiten
vorgetragen wird, bemerkt Mirabeau: „Die Regierung habe
nur Gewalt, kein Recht; nur im Volke ſei die Quelle alles
Rechts zu finden.“ Am 16. Juli ruft ebenderſelbe Mirabeau
aus: „Iſt nicht das Volk die Quelle aller Gewalt?“ Alſo
die Quelle alles Rechts und die Quelle aller — Gewalt!
Beiläufig geſagt, kommt hier der Inhalt des „Rechts“ zum
Vorſchein: es iſt die — Gewalt. „Wer die Gewalt hat,
der hat das Recht.“

Das Bürgerthum iſt der Erbe der privilegirten Stände.
In der That gingen nur die Rechte der Barone, die als
„Uſurpationen“ ihnen abgenommen wurden, auf das Bürger¬
thum über. Denn das Bürgerthum hieß nun die „Nation“.
„In die Hände der Nation“ wurden alle Vorrechte zurück¬
gegeben. Dadurch hörten ſie auf, „Vorrechte“ zu ſein: ſie
wurden „Rechte“. Die Nation fordert von nun an Zehnten,
Frohndienſte, ſie hat das Herrengericht geerbt, die Jagdgerech¬
tigkeit, die — Leibeigenen. Die Nacht vom 4. Auguſt war
die Todesnacht der Privilegien oder „Vorrechte“ (auch Städte,
Gemeinden, Magiſtrate waren privilegirt, mit Vorrechten und
Herrenrechten verſehen), und endete mit dem neuen Morgen
des „Rechtes“, der „Staatsrechte“, der „Rechte der Nation“.

Der Monarch in der Perſon des „königlichen Herren“
war ein armſeliger Monarch geweſen gegen dieſen neuen Mo¬
narchen, die „ſouveraine Nation“. Dieſe Monarchie war
tauſendfach ſchärfer, ſtrenger und conſequenter. Gegen den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0141" n="133"/>
Bi&#x017F;chofs von Autun und Barr<hi rendition="#aq">è</hi>re's den Schein, als &#x017F;ei Jeder,<lb/>
der <hi rendition="#g">Einzelne</hi>, von Bedeutung in der Ge&#x017F;etzgebung: &#x017F;ie zeigte<lb/>
die völlige <hi rendition="#g">Machtlo&#x017F;igkeit</hi> der Committenten: die <hi rendition="#g">Majo</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">rität der Reprä&#x017F;entanten</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#g">Herrin</hi> geworden. Als<lb/>
am 9. Juli der Plan über Eintheilung der Verfa&#x017F;&#x017F;ungsarbeiten<lb/>
vorgetragen wird, bemerkt Mirabeau: &#x201E;Die Regierung habe<lb/>
nur Gewalt, kein Recht; nur im <hi rendition="#g">Volke</hi> &#x017F;ei die Quelle alles<lb/><hi rendition="#g">Rechts</hi> zu finden.&#x201C; Am 16. Juli ruft ebender&#x017F;elbe Mirabeau<lb/>
aus: &#x201E;I&#x017F;t nicht das Volk die Quelle aller <hi rendition="#g">Gewalt</hi>?&#x201C; Al&#x017F;o<lb/>
die Quelle alles Rechts und die Quelle aller &#x2014; Gewalt!<lb/>
Beiläufig ge&#x017F;agt, kommt hier der Inhalt des &#x201E;Rechts&#x201C; zum<lb/>
Vor&#x017F;chein: es i&#x017F;t die &#x2014; <hi rendition="#g">Gewalt</hi>. &#x201E;Wer die Gewalt hat,<lb/>
der hat das Recht.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Das Bürgerthum i&#x017F;t der Erbe der privilegirten Stände.<lb/>
In der That gingen nur die Rechte der Barone, die als<lb/>
&#x201E;U&#x017F;urpationen&#x201C; ihnen abgenommen wurden, auf das Bürger¬<lb/>
thum über. Denn das Bürgerthum hieß nun die &#x201E;Nation&#x201C;.<lb/>
&#x201E;In die Hände der Nation&#x201C; wurden alle <hi rendition="#g">Vorrechte</hi> zurück¬<lb/>
gegeben. Dadurch hörten &#x017F;ie auf, &#x201E;Vorrechte&#x201C; zu &#x017F;ein: &#x017F;ie<lb/>
wurden &#x201E;Rechte&#x201C;. Die Nation fordert von nun an Zehnten,<lb/>
Frohndien&#x017F;te, &#x017F;ie hat das Herrengericht geerbt, die Jagdgerech¬<lb/>
tigkeit, die &#x2014; Leibeigenen. Die Nacht vom 4. Augu&#x017F;t war<lb/>
die Todesnacht der Privilegien oder &#x201E;Vorrechte&#x201C; (auch Städte,<lb/>
Gemeinden, Magi&#x017F;trate waren privilegirt, mit Vorrechten und<lb/>
Herrenrechten ver&#x017F;ehen), und endete mit dem neuen Morgen<lb/>
des &#x201E;Rechtes&#x201C;, der &#x201E;Staatsrechte&#x201C;, der &#x201E;Rechte der Nation&#x201C;.</p><lb/>
              <p>Der Monarch in der Per&#x017F;on des &#x201E;königlichen Herren&#x201C;<lb/>
war ein arm&#x017F;eliger Monarch gewe&#x017F;en gegen die&#x017F;en neuen Mo¬<lb/>
narchen, die &#x201E;&#x017F;ouveraine Nation&#x201C;. Die&#x017F;e <hi rendition="#g">Monarchie</hi> war<lb/>
tau&#x017F;endfach &#x017F;chärfer, &#x017F;trenger und con&#x017F;equenter. Gegen den<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0141] Biſchofs von Autun und Barrère's den Schein, als ſei Jeder, der Einzelne, von Bedeutung in der Geſetzgebung: ſie zeigte die völlige Machtloſigkeit der Committenten: die Majo¬ rität der Repräſentanten iſt Herrin geworden. Als am 9. Juli der Plan über Eintheilung der Verfaſſungsarbeiten vorgetragen wird, bemerkt Mirabeau: „Die Regierung habe nur Gewalt, kein Recht; nur im Volke ſei die Quelle alles Rechts zu finden.“ Am 16. Juli ruft ebenderſelbe Mirabeau aus: „Iſt nicht das Volk die Quelle aller Gewalt?“ Alſo die Quelle alles Rechts und die Quelle aller — Gewalt! Beiläufig geſagt, kommt hier der Inhalt des „Rechts“ zum Vorſchein: es iſt die — Gewalt. „Wer die Gewalt hat, der hat das Recht.“ Das Bürgerthum iſt der Erbe der privilegirten Stände. In der That gingen nur die Rechte der Barone, die als „Uſurpationen“ ihnen abgenommen wurden, auf das Bürger¬ thum über. Denn das Bürgerthum hieß nun die „Nation“. „In die Hände der Nation“ wurden alle Vorrechte zurück¬ gegeben. Dadurch hörten ſie auf, „Vorrechte“ zu ſein: ſie wurden „Rechte“. Die Nation fordert von nun an Zehnten, Frohndienſte, ſie hat das Herrengericht geerbt, die Jagdgerech¬ tigkeit, die — Leibeigenen. Die Nacht vom 4. Auguſt war die Todesnacht der Privilegien oder „Vorrechte“ (auch Städte, Gemeinden, Magiſtrate waren privilegirt, mit Vorrechten und Herrenrechten verſehen), und endete mit dem neuen Morgen des „Rechtes“, der „Staatsrechte“, der „Rechte der Nation“. Der Monarch in der Perſon des „königlichen Herren“ war ein armſeliger Monarch geweſen gegen dieſen neuen Mo¬ narchen, die „ſouveraine Nation“. Dieſe Monarchie war tauſendfach ſchärfer, ſtrenger und conſequenter. Gegen den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/141
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/141>, abgerufen am 19.04.2024.