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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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lebet in Mir. Darum war man gegen die frühere Selbstsucht
gehalten, die Uneigennützigkeit und Unpersönlichkeit selber.
Vor diesem Gotte, -- Staat --, verschwand jeder Egoismus,
und vor ihm waren Alle gleich: sie waren ohne allen andern
Unterschied -- Menschen, nichts als Menschen.

An dem entzündlichen Stoffe des Eigenthums ent¬
brannte die Revolution. Die Regierung brauchte Geld. Jetzt
mußte sie den Satz, daß sie absolut, mithin Herrin alles
Eigenthums, alleinige Eigenthümerin sei, bewähren; sie mußte
ihr Geld, welches sich nur im Besitz, nicht im Eigenthum der
Unterthanen befand, an sich nehmen. Statt dessen beruft
sie Generalstände, um sich dieß Geld bewilligen zu lassen.
Die Furcht vor der letzten Consequenz zerstörte die Illusion
einer absoluten Regierung; wer sich etwas "bewilligen"
lassen muß, der kann nicht für absolut angesehen werden. Die
Unterthanen erkannten, daß sie wirkliche Eigenthümer
seien, und daß es ihr Geld sei, welches man fordere. Die
bisherigen Unterthanen erlangten das Bewußtsein, daß sie
Eigenthümer seien. Mit wenig Worten schildert dieß Bailly:
"Wenn ihr nicht ohne meine Einstimmung über mein Eigen¬
thum verfügen könnt, wie viel weniger könnt ihr es über meine
Person, über Alles, was meine geistige und gesellschaftliche
Stellung angeht! Alles das ist mein Eigenthum, wie das
Stück Land, das ich beackere: und ich habe ein Recht, ein
Interesse, die Gesetze selber zu machen." Bailly's Worte klin¬
gen freilich so, als wäre nun Jeder ein Eigenthümer. Indeß
statt der Regierung, statt des Fürsten, ward jetzt Eigenthümerin
und Herrin -- die Nation. Von nun an heißt das Ideal
-- "Volksfreiheit -- ein freies Volk" u. s. w.

Schon am 8. Juli 1789 zerstörte die Erklärung des

lebet in Mir. Darum war man gegen die frühere Selbſtſucht
gehalten, die Uneigennützigkeit und Unperſönlichkeit ſelber.
Vor dieſem Gotte, — Staat —, verſchwand jeder Egoismus,
und vor ihm waren Alle gleich: ſie waren ohne allen andern
Unterſchied — Menſchen, nichts als Menſchen.

An dem entzündlichen Stoffe des Eigenthums ent¬
brannte die Revolution. Die Regierung brauchte Geld. Jetzt
mußte ſie den Satz, daß ſie abſolut, mithin Herrin alles
Eigenthums, alleinige Eigenthümerin ſei, bewähren; ſie mußte
ihr Geld, welches ſich nur im Beſitz, nicht im Eigenthum der
Unterthanen befand, an ſich nehmen. Statt deſſen beruft
ſie Generalſtände, um ſich dieß Geld bewilligen zu laſſen.
Die Furcht vor der letzten Conſequenz zerſtörte die Illuſion
einer abſoluten Regierung; wer ſich etwas „bewilligen“
laſſen muß, der kann nicht für abſolut angeſehen werden. Die
Unterthanen erkannten, daß ſie wirkliche Eigenthümer
ſeien, und daß es ihr Geld ſei, welches man fordere. Die
bisherigen Unterthanen erlangten das Bewußtſein, daß ſie
Eigenthümer ſeien. Mit wenig Worten ſchildert dieß Bailly:
„Wenn ihr nicht ohne meine Einſtimmung über mein Eigen¬
thum verfügen könnt, wie viel weniger könnt ihr es über meine
Perſon, über Alles, was meine geiſtige und geſellſchaftliche
Stellung angeht! Alles das iſt mein Eigenthum, wie das
Stück Land, das ich beackere: und ich habe ein Recht, ein
Intereſſe, die Geſetze ſelber zu machen.“ Bailly's Worte klin¬
gen freilich ſo, als wäre nun Jeder ein Eigenthümer. Indeß
ſtatt der Regierung, ſtatt des Fürſten, ward jetzt Eigenthümerin
und Herrin — die Nation. Von nun an heißt das Ideal
— „Volksfreiheit — ein freies Volk“ u. ſ. w.

Schon am 8. Juli 1789 zerſtörte die Erklärung des

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[132/0140] lebet in Mir. Darum war man gegen die frühere Selbſtſucht gehalten, die Uneigennützigkeit und Unperſönlichkeit ſelber. Vor dieſem Gotte, — Staat —, verſchwand jeder Egoismus, und vor ihm waren Alle gleich: ſie waren ohne allen andern Unterſchied — Menſchen, nichts als Menſchen. An dem entzündlichen Stoffe des Eigenthums ent¬ brannte die Revolution. Die Regierung brauchte Geld. Jetzt mußte ſie den Satz, daß ſie abſolut, mithin Herrin alles Eigenthums, alleinige Eigenthümerin ſei, bewähren; ſie mußte ihr Geld, welches ſich nur im Beſitz, nicht im Eigenthum der Unterthanen befand, an ſich nehmen. Statt deſſen beruft ſie Generalſtände, um ſich dieß Geld bewilligen zu laſſen. Die Furcht vor der letzten Conſequenz zerſtörte die Illuſion einer abſoluten Regierung; wer ſich etwas „bewilligen“ laſſen muß, der kann nicht für abſolut angeſehen werden. Die Unterthanen erkannten, daß ſie wirkliche Eigenthümer ſeien, und daß es ihr Geld ſei, welches man fordere. Die bisherigen Unterthanen erlangten das Bewußtſein, daß ſie Eigenthümer ſeien. Mit wenig Worten ſchildert dieß Bailly: „Wenn ihr nicht ohne meine Einſtimmung über mein Eigen¬ thum verfügen könnt, wie viel weniger könnt ihr es über meine Perſon, über Alles, was meine geiſtige und geſellſchaftliche Stellung angeht! Alles das iſt mein Eigenthum, wie das Stück Land, das ich beackere: und ich habe ein Recht, ein Intereſſe, die Geſetze ſelber zu machen.“ Bailly's Worte klin¬ gen freilich ſo, als wäre nun Jeder ein Eigenthümer. Indeß ſtatt der Regierung, ſtatt des Fürſten, ward jetzt Eigenthümerin und Herrin — die Nation. Von nun an heißt das Ideal — „Volksfreiheit — ein freies Volk“ u. ſ. w. Schon am 8. Juli 1789 zerſtörte die Erklärung des

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/140>, abgerufen am 24.04.2024.