Die geistlichen Menschen haben sich Etwas in den Kopf gesetzt, was realisirt werden soll. Sie haben Begriffe von Liebe, Güte u. dergl., die sie verwirklicht sehen möch¬ ten; darum wollen sie ein Reich der Liebe auf Erden errichten, worin Keiner mehr aus Eigennutz, sondern Jeder "aus Liebe" handelt. Die Liebe soll herrschen. Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, wie soll man das anders nennen, als -- fixe Idee? Es "spukt ja in ihrem Kopfe". Der beklem¬ mendste Spuk ist der Mensch. Man denke des Sprichwortes: "Der Weg zum Verderben ist mit guten Vorsätzen gepflastert." Der Vorsatz, die Menschlichkeit ganz in sich zu verwirklichen, ganz Mensch zu werden, ist von so verderblicher Art; dahin gehören die Vorsätze, gut, edel, liebevoll u. s. w. zu werden.
In dem sechsten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 sagt Br. Bauer: "Jene Bürgerklasse, die für die neuere Geschichte ein so furchtbares Gewicht erhalten sollte, ist keiner aufopfern¬ den Handlung, keiner Begeisterung für eine Idee, keiner Er¬ hebung fähig: sie giebt sich für nichts hin, als für das In¬ teresse ihrer Mittelmäßigkeit, d. h. sie bleibt immer auf sich selbst beschränkt und siegt endlich nur durch ihre Massenhaftig¬ keit, mit welcher sie die Anstrengungen der Leidenschaft, der Begeisterung, der Consequenz zu ermüden wußte, durch ihre Oberfläche, in welche sie einen Theil der neuen Ideen ein¬ saugt." Und S. 6: "Sie hat die revolutionairen Ideen, für welche nicht sie, sondern uneigennützige oder leidenschaftliche Männer sich aufopferten, sich allein zu Gute kommen lassen, den Geist in Geld verwandelt. -- Freilich nachdem sie jenen *)
*) menschen stecke, und zogen nur gegen die gelehrte und verfeinerte Bil¬ dung los.
Die geiſtlichen Menſchen haben ſich Etwas in den Kopf geſetzt, was realiſirt werden ſoll. Sie haben Begriffe von Liebe, Güte u. dergl., die ſie verwirklicht ſehen möch¬ ten; darum wollen ſie ein Reich der Liebe auf Erden errichten, worin Keiner mehr aus Eigennutz, ſondern Jeder „aus Liebe“ handelt. Die Liebe ſoll herrſchen. Was ſie ſich in den Kopf geſetzt haben, wie ſoll man das anders nennen, als — fixe Idee? Es „ſpukt ja in ihrem Kopfe“. Der beklem¬ mendſte Spuk iſt der Menſch. Man denke des Sprichwortes: „Der Weg zum Verderben iſt mit guten Vorſätzen gepflaſtert.“ Der Vorſatz, die Menſchlichkeit ganz in ſich zu verwirklichen, ganz Menſch zu werden, iſt von ſo verderblicher Art; dahin gehören die Vorſätze, gut, edel, liebevoll u. ſ. w. zu werden.
In dem ſechſten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 ſagt Br. Bauer: „Jene Bürgerklaſſe, die für die neuere Geſchichte ein ſo furchtbares Gewicht erhalten ſollte, iſt keiner aufopfern¬ den Handlung, keiner Begeiſterung für eine Idee, keiner Er¬ hebung fähig: ſie giebt ſich für nichts hin, als für das In¬ tereſſe ihrer Mittelmäßigkeit, d. h. ſie bleibt immer auf ſich ſelbſt beſchränkt und ſiegt endlich nur durch ihre Maſſenhaftig¬ keit, mit welcher ſie die Anſtrengungen der Leidenſchaft, der Begeiſterung, der Conſequenz zu ermüden wußte, durch ihre Oberfläche, in welche ſie einen Theil der neuen Ideen ein¬ ſaugt.“ Und S. 6: „Sie hat die revolutionairen Ideen, für welche nicht ſie, ſondern uneigennützige oder leidenſchaftliche Männer ſich aufopferten, ſich allein zu Gute kommen laſſen, den Geiſt in Geld verwandelt. — Freilich nachdem ſie jenen *)
*) menſchen ſtecke, und zogen nur gegen die gelehrte und verfeinerte Bil¬ dung los.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0106"n="98"/><p>Die geiſtlichen Menſchen haben ſich Etwas <hirendition="#g">in den Kopf<lb/>
geſetzt</hi>, was realiſirt werden ſoll. Sie haben <hirendition="#g">Begriffe</hi><lb/>
von Liebe, Güte u. dergl., die ſie <hirendition="#g">verwirklicht</hi>ſehen möch¬<lb/>
ten; darum wollen ſie ein Reich der Liebe auf Erden errichten,<lb/>
worin Keiner mehr aus Eigennutz, ſondern Jeder „aus Liebe“<lb/>
handelt. Die Liebe ſoll <hirendition="#g">herrſchen</hi>. Was ſie ſich in den<lb/>
Kopf geſetzt haben, wie ſoll man das anders nennen, als —<lb/><hirendition="#g">fixe Idee</hi>? Es „<hirendition="#g">ſpukt</hi> ja in ihrem Kopfe“. Der beklem¬<lb/>
mendſte Spuk iſt <hirendition="#g">der</hi> Menſch. Man denke des Sprichwortes:<lb/>„Der Weg zum Verderben iſt mit guten Vorſätzen gepflaſtert.“<lb/>
Der Vorſatz, die Menſchlichkeit ganz in ſich zu verwirklichen,<lb/>
ganz Menſch zu werden, iſt von ſo verderblicher Art; dahin<lb/>
gehören die Vorſätze, gut, edel, liebevoll u. ſ. w. zu werden.</p><lb/><p>In dem ſechſten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 ſagt<lb/>
Br. Bauer: „Jene Bürgerklaſſe, die für die neuere Geſchichte<lb/>
ein ſo furchtbares Gewicht erhalten ſollte, iſt keiner aufopfern¬<lb/>
den Handlung, keiner Begeiſterung für eine Idee, keiner Er¬<lb/>
hebung fähig: ſie giebt ſich für nichts hin, als für das In¬<lb/>
tereſſe ihrer Mittelmäßigkeit, d. h. ſie bleibt immer auf ſich<lb/>ſelbſt beſchränkt und ſiegt endlich nur durch ihre Maſſenhaftig¬<lb/>
keit, mit welcher ſie die Anſtrengungen der Leidenſchaft, der<lb/>
Begeiſterung, der Conſequenz zu ermüden wußte, durch ihre<lb/>
Oberfläche, in welche ſie einen Theil der neuen Ideen ein¬<lb/>ſaugt.“ Und S. 6: „Sie hat die revolutionairen Ideen, für<lb/>
welche nicht ſie, ſondern uneigennützige oder leidenſchaftliche<lb/>
Männer ſich aufopferten, ſich allein zu Gute kommen laſſen,<lb/>
den Geiſt in Geld verwandelt. — Freilich nachdem ſie jenen<lb/><notexml:id="note-0106"next="#prev-0105"place="foot"n="*)">menſchen ſtecke, und zogen nur gegen die gelehrte und verfeinerte Bil¬<lb/>
dung los.<lb/></note></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[98/0106]
Die geiſtlichen Menſchen haben ſich Etwas in den Kopf
geſetzt, was realiſirt werden ſoll. Sie haben Begriffe
von Liebe, Güte u. dergl., die ſie verwirklicht ſehen möch¬
ten; darum wollen ſie ein Reich der Liebe auf Erden errichten,
worin Keiner mehr aus Eigennutz, ſondern Jeder „aus Liebe“
handelt. Die Liebe ſoll herrſchen. Was ſie ſich in den
Kopf geſetzt haben, wie ſoll man das anders nennen, als —
fixe Idee? Es „ſpukt ja in ihrem Kopfe“. Der beklem¬
mendſte Spuk iſt der Menſch. Man denke des Sprichwortes:
„Der Weg zum Verderben iſt mit guten Vorſätzen gepflaſtert.“
Der Vorſatz, die Menſchlichkeit ganz in ſich zu verwirklichen,
ganz Menſch zu werden, iſt von ſo verderblicher Art; dahin
gehören die Vorſätze, gut, edel, liebevoll u. ſ. w. zu werden.
In dem ſechſten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 ſagt
Br. Bauer: „Jene Bürgerklaſſe, die für die neuere Geſchichte
ein ſo furchtbares Gewicht erhalten ſollte, iſt keiner aufopfern¬
den Handlung, keiner Begeiſterung für eine Idee, keiner Er¬
hebung fähig: ſie giebt ſich für nichts hin, als für das In¬
tereſſe ihrer Mittelmäßigkeit, d. h. ſie bleibt immer auf ſich
ſelbſt beſchränkt und ſiegt endlich nur durch ihre Maſſenhaftig¬
keit, mit welcher ſie die Anſtrengungen der Leidenſchaft, der
Begeiſterung, der Conſequenz zu ermüden wußte, durch ihre
Oberfläche, in welche ſie einen Theil der neuen Ideen ein¬
ſaugt.“ Und S. 6: „Sie hat die revolutionairen Ideen, für
welche nicht ſie, ſondern uneigennützige oder leidenſchaftliche
Männer ſich aufopferten, ſich allein zu Gute kommen laſſen,
den Geiſt in Geld verwandelt. — Freilich nachdem ſie jenen
*)
*) menſchen ſtecke, und zogen nur gegen die gelehrte und verfeinerte Bil¬
dung los.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/106>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.