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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Man spricht so viel vom angebornen Rechte und klagt:

Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider nicht die Frage.

Was für ein Recht wäre denn mit Mir geboren? Das
Recht, Majoratsherr zu werden, einen Thron zu erben, eine
prinzliche oder adlige Erziehung zu genießen, oder auch, weil
Mich arme Aeltern zeugten, -- Freischule zu bekommen, aus
Almosenbeiträgen gekleidet zu werden, und endlich in den Koh¬
lenbergwerken oder am Weberstuhle Mir mein Brod und mei¬
nen Hering zu verdienen? Sind das nicht angeborene Rechte,
Rechte, die von meinen Aeltern her durch die Geburt auf
Mich gekommen sind? Ihr meint: nein; Ihr meint, dieß
seien nur mißbräuchlich sogenannte Rechte, es seien eben jene
Rechte, welche Ihr durch das wirklich angeborene Recht
abzuschaffen trachtet. Dieß zu begründen, geht Ihr auf das
Einfachste zurück und behauptet, Jeder sei durch die Geburt
dem Andern gleich, nämlich ein Mensch. Ich will Euch
zugeben, daß Jeder als Mensch geboren werde, mithin die
Neugeborenen einander darin gleich seien. Warum sind sie's?
Nur deshalb, weil sie sich noch als nichts Anderes zeigen und
bethätigen, als eben als bloße -- Menschenkinder, nackte
Menschlein. Dadurch sind sie aber sogleich verschieden von
denen, welche bereits etwas aus sich gemacht haben und nicht
mehr bloße "Menschenkinder" sind, sondern -- Kinder ihrer eige¬
nen Schöpfung. Die letzteren besitzen mehr als bloß ange¬
borene Rechte: sie haben Rechte erworben. Welch' ein
Gegensatz, welch' ein Kampffeld! Der alte Kampf der ange¬
borenen Menschenrechte und der wohlerworbenen Rechte. Be¬
ruft Euch immerhin auf eure angeborenen Rechte; man wird
nicht ermangeln, die wohlerworbenen Euch entgegenzustellen.

Man ſpricht ſo viel vom angebornen Rechte und klagt:

Vom Rechte, das mit uns geboren iſt,
Von dem iſt leider nicht die Frage.

Was für ein Recht wäre denn mit Mir geboren? Das
Recht, Majoratsherr zu werden, einen Thron zu erben, eine
prinzliche oder adlige Erziehung zu genießen, oder auch, weil
Mich arme Aeltern zeugten, — Freiſchule zu bekommen, aus
Almoſenbeiträgen gekleidet zu werden, und endlich in den Koh¬
lenbergwerken oder am Weberſtuhle Mir mein Brod und mei¬
nen Hering zu verdienen? Sind das nicht angeborene Rechte,
Rechte, die von meinen Aeltern her durch die Geburt auf
Mich gekommen ſind? Ihr meint: nein; Ihr meint, dieß
ſeien nur mißbräuchlich ſogenannte Rechte, es ſeien eben jene
Rechte, welche Ihr durch das wirklich angeborene Recht
abzuſchaffen trachtet. Dieß zu begründen, geht Ihr auf das
Einfachſte zurück und behauptet, Jeder ſei durch die Geburt
dem Andern gleich, nämlich ein Menſch. Ich will Euch
zugeben, daß Jeder als Menſch geboren werde, mithin die
Neugeborenen einander darin gleich ſeien. Warum ſind ſie's?
Nur deshalb, weil ſie ſich noch als nichts Anderes zeigen und
bethätigen, als eben als bloße — Menſchenkinder, nackte
Menſchlein. Dadurch ſind ſie aber ſogleich verſchieden von
denen, welche bereits etwas aus ſich gemacht haben und nicht
mehr bloße „Menſchenkinder“ ſind, ſondern — Kinder ihrer eige¬
nen Schöpfung. Die letzteren beſitzen mehr als bloß ange¬
borene Rechte: ſie haben Rechte erworben. Welch' ein
Gegenſatz, welch' ein Kampffeld! Der alte Kampf der ange¬
borenen Menſchenrechte und der wohlerworbenen Rechte. Be¬
ruft Euch immerhin auf eure angeborenen Rechte; man wird
nicht ermangeln, die wohlerworbenen Euch entgegenzuſtellen.

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[252/0260] Man ſpricht ſo viel vom angebornen Rechte und klagt: Vom Rechte, das mit uns geboren iſt, Von dem iſt leider nicht die Frage. Was für ein Recht wäre denn mit Mir geboren? Das Recht, Majoratsherr zu werden, einen Thron zu erben, eine prinzliche oder adlige Erziehung zu genießen, oder auch, weil Mich arme Aeltern zeugten, — Freiſchule zu bekommen, aus Almoſenbeiträgen gekleidet zu werden, und endlich in den Koh¬ lenbergwerken oder am Weberſtuhle Mir mein Brod und mei¬ nen Hering zu verdienen? Sind das nicht angeborene Rechte, Rechte, die von meinen Aeltern her durch die Geburt auf Mich gekommen ſind? Ihr meint: nein; Ihr meint, dieß ſeien nur mißbräuchlich ſogenannte Rechte, es ſeien eben jene Rechte, welche Ihr durch das wirklich angeborene Recht abzuſchaffen trachtet. Dieß zu begründen, geht Ihr auf das Einfachſte zurück und behauptet, Jeder ſei durch die Geburt dem Andern gleich, nämlich ein Menſch. Ich will Euch zugeben, daß Jeder als Menſch geboren werde, mithin die Neugeborenen einander darin gleich ſeien. Warum ſind ſie's? Nur deshalb, weil ſie ſich noch als nichts Anderes zeigen und bethätigen, als eben als bloße — Menſchenkinder, nackte Menſchlein. Dadurch ſind ſie aber ſogleich verſchieden von denen, welche bereits etwas aus ſich gemacht haben und nicht mehr bloße „Menſchenkinder“ ſind, ſondern — Kinder ihrer eige¬ nen Schöpfung. Die letzteren beſitzen mehr als bloß ange¬ borene Rechte: ſie haben Rechte erworben. Welch' ein Gegenſatz, welch' ein Kampffeld! Der alte Kampf der ange¬ borenen Menſchenrechte und der wohlerworbenen Rechte. Be¬ ruft Euch immerhin auf eure angeborenen Rechte; man wird nicht ermangeln, die wohlerworbenen Euch entgegenzuſtellen.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/260>, abgerufen am 30.11.2024.