Sie kletterten neuerdings an Blöken empor. Da standen sie wieder auf dem Eisfelde. Heute bei der hellen Sonne konnten sie erst erbliken, was es ist. Es war ungeheuer groß, und jenseits standen wieder schwarze Felsen empor, es ragte gleichsam Welle hin¬ ter Welle auf, das beschneite Eis war gedrängt, gequollen, empor gehoben, gleichsam als schöbe es sich noch vorwärts, und flöße gegen die Brust der Kinder heran. In dem Weiß sahen sie unzählige vor¬ wärts gehende geschlängelte blaue Linien. Zwischen jenen Stellen, wo die Eiskörper gleichsam wie an¬ einandergeschmettert starrten, gingen auch Linien wie Wege, aber sie waren weiß, und waren Streifen, wo sich fester Eisboden vorfand, oder die Stüke doch nicht gar so sehr verschoben waren. In diese Pfade gingen die Kinder hinein, weil sie doch einen Theil des Eises überschreiten wollten, um an den Bergrand zu gelangen, und endlich einmal hinunter zu sehen. Sie sagten kein Wörtlein. Das Mädchen folgte dem Knaben. Aber es war auch heute wieder Eis, lauter Eis. Wo sie hinüber gelangen wollten, wurde es gleichsam immer breiter und breiter. Da schlugen sie ihre Richtung aufgebend den Rükweg ein. Wo sie nicht gehen konnten, griffen sie sich durch die Mengen des Schnees hindurch, der oft dicht vor ihrem Auge
Sie kletterten neuerdings an Blöken empor. Da ſtanden ſie wieder auf dem Eisfelde. Heute bei der hellen Sonne konnten ſie erſt erbliken, was es iſt. Es war ungeheuer groß, und jenſeits ſtanden wieder ſchwarze Felſen empor, es ragte gleichſam Welle hin¬ ter Welle auf, das beſchneite Eis war gedrängt, gequollen, empor gehoben, gleichſam als ſchöbe es ſich noch vorwärts, und flöße gegen die Bruſt der Kinder heran. In dem Weiß ſahen ſie unzählige vor¬ wärts gehende geſchlängelte blaue Linien. Zwiſchen jenen Stellen, wo die Eiskörper gleichſam wie an¬ einandergeſchmettert ſtarrten, gingen auch Linien wie Wege, aber ſie waren weiß, und waren Streifen, wo ſich feſter Eisboden vorfand, oder die Stüke doch nicht gar ſo ſehr verſchoben waren. In dieſe Pfade gingen die Kinder hinein, weil ſie doch einen Theil des Eiſes überſchreiten wollten, um an den Bergrand zu gelangen, und endlich einmal hinunter zu ſehen. Sie ſagten kein Wörtlein. Das Mädchen folgte dem Knaben. Aber es war auch heute wieder Eis, lauter Eis. Wo ſie hinüber gelangen wollten, wurde es gleichſam immer breiter und breiter. Da ſchlugen ſie ihre Richtung aufgebend den Rükweg ein. Wo ſie nicht gehen konnten, griffen ſie ſich durch die Mengen des Schnees hindurch, der oft dicht vor ihrem Auge
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Sie kletterten neuerdings an Blöken empor. Da
ſtanden ſie wieder auf dem Eisfelde. Heute bei der
hellen Sonne konnten ſie erſt erbliken, was es iſt. Es
war ungeheuer groß, und jenſeits ſtanden wieder
ſchwarze Felſen empor, es ragte gleichſam Welle hin¬
ter Welle auf, das beſchneite Eis war gedrängt,
gequollen, empor gehoben, gleichſam als ſchöbe es
ſich noch vorwärts, und flöße gegen die Bruſt der
Kinder heran. In dem Weiß ſahen ſie unzählige vor¬
wärts gehende geſchlängelte blaue Linien. Zwiſchen
jenen Stellen, wo die Eiskörper gleichſam wie an¬
einandergeſchmettert ſtarrten, gingen auch Linien wie
Wege, aber ſie waren weiß, und waren Streifen,
wo ſich feſter Eisboden vorfand, oder die Stüke doch
nicht gar ſo ſehr verſchoben waren. In dieſe Pfade
gingen die Kinder hinein, weil ſie doch einen Theil
des Eiſes überſchreiten wollten, um an den Bergrand
zu gelangen, und endlich einmal hinunter zu ſehen.
Sie ſagten kein Wörtlein. Das Mädchen folgte dem
Knaben. Aber es war auch heute wieder Eis, lauter
Eis. Wo ſie hinüber gelangen wollten, wurde es
gleichſam immer breiter und breiter. Da ſchlugen ſie
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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