Drange der Freude stets erst sehr spät entschlummerten, wenn sie nehmlich der körperliche Drang übermannt hatte, so hatten sie nie das mitternächtliche Läuten der Gloken, nie die Orgel der Kirche gehört, wenn das Fest gefeiert wurde, obwohl sie nahe an der Kirche wohnten. In diesem Augenblike der heutigen Nacht wurde nun mit allen Gloken geläutet, es läuteten die Gloken in Millsdorf, es läuteten die Gloken in Gschaid, und hinter dem Berge war noch ein Kirchlein mit drei hellen klingenden Gloken die läuteten. In den fernen Ländern draußen waren unzählige Kirchen und Gloken, und mit allen wurde zu dieser Zeit ge¬ läutet, von Dorf zu Dorf ging die Tonwelle, ja man konnte wohl zuweilen von einem Dorfe zum andern durch die blätterlosen Zweige das Läuten hören: nur zu den Kindern herauf kam kein Laut, hier wurde nichts vernommen; denn hier war nichts zu verkün¬ digen. In den Thalkrümmen gingen jezt an den Berghängen die Lichter der Laternen hin, und von manchem Hofe tönte das Hausglöklein, um die Leute zu erinnern; aber dieses konnte um so weniger herauf gesehen und gehört werden, es glänzten nur die Sterne, und sie leuchteten und funkelten ruhig fort.
Wenn auch Konrad sich das Schiksal des erfrornen Eschenjägers vor Augen hielt, wenn auch die Kinder
Drange der Freude ſtets erſt ſehr ſpät entſchlummerten, wenn ſie nehmlich der körperliche Drang übermannt hatte, ſo hatten ſie nie das mitternächtliche Läuten der Gloken, nie die Orgel der Kirche gehört, wenn das Feſt gefeiert wurde, obwohl ſie nahe an der Kirche wohnten. In dieſem Augenblike der heutigen Nacht wurde nun mit allen Gloken geläutet, es läuteten die Gloken in Millsdorf, es läuteten die Gloken in Gſchaid, und hinter dem Berge war noch ein Kirchlein mit drei hellen klingenden Gloken die läuteten. In den fernen Ländern draußen waren unzählige Kirchen und Gloken, und mit allen wurde zu dieſer Zeit ge¬ läutet, von Dorf zu Dorf ging die Tonwelle, ja man konnte wohl zuweilen von einem Dorfe zum andern durch die blätterloſen Zweige das Läuten hören: nur zu den Kindern herauf kam kein Laut, hier wurde nichts vernommen; denn hier war nichts zu verkün¬ digen. In den Thalkrümmen gingen jezt an den Berghängen die Lichter der Laternen hin, und von manchem Hofe tönte das Hausglöklein, um die Leute zu erinnern; aber dieſes konnte um ſo weniger herauf geſehen und gehört werden, es glänzten nur die Sterne, und ſie leuchteten und funkelten ruhig fort.
Wenn auch Konrad ſich das Schikſal des erfrornen Eſchenjägers vor Augen hielt, wenn auch die Kinder
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0083"n="72"/>
Drange der Freude ſtets erſt ſehr ſpät entſchlummerten,<lb/>
wenn ſie nehmlich der körperliche Drang übermannt<lb/>
hatte, ſo hatten ſie nie das mitternächtliche Läuten<lb/>
der Gloken, nie die Orgel der Kirche gehört, wenn das<lb/>
Feſt gefeiert wurde, obwohl ſie nahe an der Kirche<lb/>
wohnten. In dieſem Augenblike der heutigen Nacht<lb/>
wurde nun mit allen Gloken geläutet, es läuteten die<lb/>
Gloken in Millsdorf, es läuteten die Gloken in<lb/>
Gſchaid, und hinter dem Berge war noch ein Kirchlein<lb/>
mit drei hellen klingenden Gloken die läuteten. In<lb/>
den fernen Ländern draußen waren unzählige Kirchen<lb/>
und Gloken, und mit allen wurde zu dieſer Zeit ge¬<lb/>
läutet, von Dorf zu Dorf ging die Tonwelle, ja man<lb/>
konnte wohl zuweilen von einem Dorfe zum andern<lb/>
durch die blätterloſen Zweige das Läuten hören: nur<lb/>
zu den Kindern herauf kam kein Laut, hier wurde<lb/>
nichts vernommen; denn hier war nichts zu verkün¬<lb/>
digen. In den Thalkrümmen gingen jezt an den<lb/>
Berghängen die Lichter der Laternen hin, und von<lb/>
manchem Hofe tönte das Hausglöklein, um die Leute<lb/>
zu erinnern; aber dieſes konnte um ſo weniger herauf<lb/>
geſehen und gehört werden, es glänzten nur die Sterne,<lb/>
und ſie leuchteten und funkelten ruhig fort.</p><lb/><p>Wenn auch Konrad ſich das Schikſal des erfrornen<lb/>
Eſchenjägers vor Augen hielt, wenn auch die Kinder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[72/0083]
Drange der Freude ſtets erſt ſehr ſpät entſchlummerten,
wenn ſie nehmlich der körperliche Drang übermannt
hatte, ſo hatten ſie nie das mitternächtliche Läuten
der Gloken, nie die Orgel der Kirche gehört, wenn das
Feſt gefeiert wurde, obwohl ſie nahe an der Kirche
wohnten. In dieſem Augenblike der heutigen Nacht
wurde nun mit allen Gloken geläutet, es läuteten die
Gloken in Millsdorf, es läuteten die Gloken in
Gſchaid, und hinter dem Berge war noch ein Kirchlein
mit drei hellen klingenden Gloken die läuteten. In
den fernen Ländern draußen waren unzählige Kirchen
und Gloken, und mit allen wurde zu dieſer Zeit ge¬
läutet, von Dorf zu Dorf ging die Tonwelle, ja man
konnte wohl zuweilen von einem Dorfe zum andern
durch die blätterloſen Zweige das Läuten hören: nur
zu den Kindern herauf kam kein Laut, hier wurde
nichts vernommen; denn hier war nichts zu verkün¬
digen. In den Thalkrümmen gingen jezt an den
Berghängen die Lichter der Laternen hin, und von
manchem Hofe tönte das Hausglöklein, um die Leute
zu erinnern; aber dieſes konnte um ſo weniger herauf
geſehen und gehört werden, es glänzten nur die Sterne,
und ſie leuchteten und funkelten ruhig fort.
Wenn auch Konrad ſich das Schikſal des erfrornen
Eſchenjägers vor Augen hielt, wenn auch die Kinder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/83>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.