Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

neren standen in dem Mantel ihrer Tannenwälder
und im Fahlroth ihrer entblösten Zweige unbeschneit
und ruhig da. Der Boden war noch nicht gefroren,
und er wäre vermöge der vorhergegangenen langen
regenlosen Zeit ganz troken gewesen, wenn ihn nicht
die Jahreszeit mit einer zarten Feuchtigkeit überzogen
hätte, die ihn aber nicht schlüpfrig sondern eher fest
und widerprallend machte, daß sie leicht und gering
darauf fortgingen. Das wenige Gras, welches noch
auf den Wiesen und vorzüglich an den Wassergräben
derselben war, stand in herbstlichem Ansehen. Es lag
kein Reif und bei näherem Anblike nicht einmal ein
Thau, was nach der Meinung der Landleute baldigen
Regen bedeutet.

Gegen die Grenzen der Wiesen zu war ein Ge¬
birgsbach, über welchen ein hoher Steg führte. Die
Kinder gingen auf den Steg und schauten hinab.
Im Bache war schier kein Wasser, ein dünner Faden
von sehr stark blauer Farbe ging durch die trokenen
Kiesel des Gerölles, die wegen Regenlosigkeit ganz
weiß geworden waren, und sowohl die Wenigkeit als
auch die Farbe des Wassers zeigten an, daß in den
größeren Höhen schon Kälte herrschen müsse, die den
Boden verschließe, daß er mit seiner Erde das
Wasser nicht trübe, und die das Eis erhärte, daß es

neren ſtanden in dem Mantel ihrer Tannenwälder
und im Fahlroth ihrer entblösten Zweige unbeſchneit
und ruhig da. Der Boden war noch nicht gefroren,
und er wäre vermöge der vorhergegangenen langen
regenloſen Zeit ganz troken geweſen, wenn ihn nicht
die Jahreszeit mit einer zarten Feuchtigkeit überzogen
hätte, die ihn aber nicht ſchlüpfrig ſondern eher feſt
und widerprallend machte, daß ſie leicht und gering
darauf fortgingen. Das wenige Gras, welches noch
auf den Wieſen und vorzüglich an den Waſſergräben
derſelben war, ſtand in herbſtlichem Anſehen. Es lag
kein Reif und bei näherem Anblike nicht einmal ein
Thau, was nach der Meinung der Landleute baldigen
Regen bedeutet.

Gegen die Grenzen der Wieſen zu war ein Ge¬
birgsbach, über welchen ein hoher Steg führte. Die
Kinder gingen auf den Steg und ſchauten hinab.
Im Bache war ſchier kein Waſſer, ein dünner Faden
von ſehr ſtark blauer Farbe ging durch die trokenen
Kieſel des Gerölles, die wegen Regenloſigkeit ganz
weiß geworden waren, und ſowohl die Wenigkeit als
auch die Farbe des Waſſers zeigten an, daß in den
größeren Höhen ſchon Kälte herrſchen müſſe, die den
Boden verſchließe, daß er mit ſeiner Erde das
Waſſer nicht trübe, und die das Eis erhärte, daß es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="37"/>
neren &#x017F;tanden in dem Mantel ihrer Tannenwälder<lb/>
und im Fahlroth ihrer entblösten Zweige unbe&#x017F;chneit<lb/>
und ruhig da. Der Boden war noch nicht gefroren,<lb/>
und er wäre vermöge der vorhergegangenen langen<lb/>
regenlo&#x017F;en Zeit ganz troken gewe&#x017F;en, wenn ihn nicht<lb/>
die Jahreszeit mit einer zarten Feuchtigkeit überzogen<lb/>
hätte, die ihn aber nicht &#x017F;chlüpfrig &#x017F;ondern eher fe&#x017F;t<lb/>
und widerprallend machte, daß &#x017F;ie leicht und gering<lb/>
darauf fortgingen. Das wenige Gras, welches noch<lb/>
auf den Wie&#x017F;en und vorzüglich an den Wa&#x017F;&#x017F;ergräben<lb/>
der&#x017F;elben war, &#x017F;tand in herb&#x017F;tlichem An&#x017F;ehen. Es lag<lb/>
kein Reif und bei näherem Anblike nicht einmal ein<lb/>
Thau, was nach der Meinung der Landleute baldigen<lb/>
Regen bedeutet.</p><lb/>
        <p>Gegen die Grenzen der Wie&#x017F;en zu war ein Ge¬<lb/>
birgsbach, über welchen ein hoher Steg führte. Die<lb/>
Kinder gingen auf den Steg und &#x017F;chauten hinab.<lb/>
Im Bache war &#x017F;chier kein Wa&#x017F;&#x017F;er, ein dünner Faden<lb/>
von &#x017F;ehr &#x017F;tark blauer Farbe ging durch die trokenen<lb/>
Kie&#x017F;el des Gerölles, die wegen Regenlo&#x017F;igkeit ganz<lb/>
weiß geworden waren, und &#x017F;owohl die Wenigkeit als<lb/>
auch die Farbe des Wa&#x017F;&#x017F;ers zeigten an, daß in den<lb/>
größeren Höhen &#x017F;chon Kälte herr&#x017F;chen mü&#x017F;&#x017F;e, die den<lb/>
Boden ver&#x017F;chließe, daß er mit &#x017F;einer Erde das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er nicht trübe, und die das Eis erhärte, daß es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0048] neren ſtanden in dem Mantel ihrer Tannenwälder und im Fahlroth ihrer entblösten Zweige unbeſchneit und ruhig da. Der Boden war noch nicht gefroren, und er wäre vermöge der vorhergegangenen langen regenloſen Zeit ganz troken geweſen, wenn ihn nicht die Jahreszeit mit einer zarten Feuchtigkeit überzogen hätte, die ihn aber nicht ſchlüpfrig ſondern eher feſt und widerprallend machte, daß ſie leicht und gering darauf fortgingen. Das wenige Gras, welches noch auf den Wieſen und vorzüglich an den Waſſergräben derſelben war, ſtand in herbſtlichem Anſehen. Es lag kein Reif und bei näherem Anblike nicht einmal ein Thau, was nach der Meinung der Landleute baldigen Regen bedeutet. Gegen die Grenzen der Wieſen zu war ein Ge¬ birgsbach, über welchen ein hoher Steg führte. Die Kinder gingen auf den Steg und ſchauten hinab. Im Bache war ſchier kein Waſſer, ein dünner Faden von ſehr ſtark blauer Farbe ging durch die trokenen Kieſel des Gerölles, die wegen Regenloſigkeit ganz weiß geworden waren, und ſowohl die Wenigkeit als auch die Farbe des Waſſers zeigten an, daß in den größeren Höhen ſchon Kälte herrſchen müſſe, die den Boden verſchließe, daß er mit ſeiner Erde das Waſſer nicht trübe, und die das Eis erhärte, daß es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/48
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/48>, abgerufen am 25.11.2024.