kam, zum Aufbruche getrieben, daß sie ja nicht zu spät kämen. Obgleich der Färber keine Mitgift gege¬ ben hatte, und vor seinem Tode von seinem Vermögen nichts wegzugeben gelobt hatte, glaubte sich die Fär¬ berin an diese Dinge doch nicht so strenge gebunden, und sie gab den Kindern nicht allein während ihrer An¬ wesenheit allerlei, worunter nicht selten ein Münzstük und zuweilen gar von ansehnlichem Werthe war, son¬ dern sie band ihnen auch immer zwei Bündelchen zu¬ sammen, in denen sich Dinge befanden, von denen sie glaubte, daß sie nothwendig wären, oder daß sie den Kindern Freude machen könnten. Und wenn oft die nehmlichen Dinge im Schusterhause in Gschaid ohnedem in aller Trefflichkeit vorhanden waren, so gab sie die Großmutter in der Freude des Gebens doch, und die Kinder trugen sie als etwas Besonderes nach Hause. So geschah es nun, daß die Kinder am heili¬ gen Abende schon unwissend die Geschenke in Schach¬ teln gut versiegelt und verwahrt nach Hause trugen, die ihnen in der Nacht einbeschert werden sollten.
Weil die Großmutter die Kinder immer schon vor der Zeit zum Fortgehen drängte, damit sie nicht zu spät nach Hause kämen, so erzielte sie hiedurch, daß die Kinder gerade auf dem Wege bald an dieser bald an jener Stelle sich aufhielten. Sie saßen gerne an
Stifter, Jugendschriften. II. 3
kam, zum Aufbruche getrieben, daß ſie ja nicht zu ſpät kämen. Obgleich der Färber keine Mitgift gege¬ ben hatte, und vor ſeinem Tode von ſeinem Vermögen nichts wegzugeben gelobt hatte, glaubte ſich die Fär¬ berin an dieſe Dinge doch nicht ſo ſtrenge gebunden, und ſie gab den Kindern nicht allein während ihrer An¬ weſenheit allerlei, worunter nicht ſelten ein Münzſtük und zuweilen gar von anſehnlichem Werthe war, ſon¬ dern ſie band ihnen auch immer zwei Bündelchen zu¬ ſammen, in denen ſich Dinge befanden, von denen ſie glaubte, daß ſie nothwendig wären, oder daß ſie den Kindern Freude machen könnten. Und wenn oft die nehmlichen Dinge im Schuſterhauſe in Gschaid ohnedem in aller Trefflichkeit vorhanden waren, ſo gab ſie die Großmutter in der Freude des Gebens doch, und die Kinder trugen ſie als etwas Beſonderes nach Hauſe. So geſchah es nun, daß die Kinder am heili¬ gen Abende ſchon unwiſſend die Geſchenke in Schach¬ teln gut verſiegelt und verwahrt nach Hauſe trugen, die ihnen in der Nacht einbeſchert werden ſollten.
Weil die Großmutter die Kinder immer ſchon vor der Zeit zum Fortgehen drängte, damit ſie nicht zu ſpät nach Hauſe kämen, ſo erzielte ſie hiedurch, daß die Kinder gerade auf dem Wege bald an dieſer bald an jener Stelle ſich aufhielten. Sie ſaßen gerne an
Stifter, Jugendſchriften. II. 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0044"n="33"/>
kam, zum Aufbruche getrieben, daß ſie ja nicht zu<lb/>ſpät kämen. Obgleich der Färber keine Mitgift gege¬<lb/>
ben hatte, und vor ſeinem Tode von ſeinem Vermögen<lb/>
nichts wegzugeben gelobt hatte, glaubte ſich die Fär¬<lb/>
berin an dieſe Dinge doch nicht ſo ſtrenge gebunden,<lb/>
und ſie gab den Kindern nicht allein während ihrer An¬<lb/>
weſenheit allerlei, worunter nicht ſelten ein Münzſtük<lb/>
und zuweilen gar von anſehnlichem Werthe war, ſon¬<lb/>
dern ſie band ihnen auch immer zwei Bündelchen zu¬<lb/>ſammen, in denen ſich Dinge befanden, von denen<lb/>ſie glaubte, daß ſie nothwendig wären, oder daß ſie<lb/>
den Kindern Freude machen könnten. Und wenn oft<lb/>
die nehmlichen Dinge im Schuſterhauſe in Gschaid<lb/>
ohnedem in aller Trefflichkeit vorhanden waren, ſo gab<lb/>ſie die Großmutter in der Freude des Gebens doch,<lb/>
und die Kinder trugen ſie als etwas Beſonderes nach<lb/>
Hauſe. So geſchah es nun, daß die Kinder am heili¬<lb/>
gen Abende ſchon unwiſſend die Geſchenke in Schach¬<lb/>
teln gut verſiegelt und verwahrt nach Hauſe trugen,<lb/>
die ihnen in der Nacht einbeſchert werden ſollten.</p><lb/><p>Weil die Großmutter die Kinder immer ſchon vor<lb/>
der Zeit zum Fortgehen drängte, damit ſie nicht zu<lb/>ſpät nach Hauſe kämen, ſo erzielte ſie hiedurch, daß<lb/>
die Kinder gerade auf dem Wege bald an dieſer bald<lb/>
an jener Stelle ſich aufhielten. Sie ſaßen gerne an<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Stifter, Jugendſchriften. II. 3<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[33/0044]
kam, zum Aufbruche getrieben, daß ſie ja nicht zu
ſpät kämen. Obgleich der Färber keine Mitgift gege¬
ben hatte, und vor ſeinem Tode von ſeinem Vermögen
nichts wegzugeben gelobt hatte, glaubte ſich die Fär¬
berin an dieſe Dinge doch nicht ſo ſtrenge gebunden,
und ſie gab den Kindern nicht allein während ihrer An¬
weſenheit allerlei, worunter nicht ſelten ein Münzſtük
und zuweilen gar von anſehnlichem Werthe war, ſon¬
dern ſie band ihnen auch immer zwei Bündelchen zu¬
ſammen, in denen ſich Dinge befanden, von denen
ſie glaubte, daß ſie nothwendig wären, oder daß ſie
den Kindern Freude machen könnten. Und wenn oft
die nehmlichen Dinge im Schuſterhauſe in Gschaid
ohnedem in aller Trefflichkeit vorhanden waren, ſo gab
ſie die Großmutter in der Freude des Gebens doch,
und die Kinder trugen ſie als etwas Beſonderes nach
Hauſe. So geſchah es nun, daß die Kinder am heili¬
gen Abende ſchon unwiſſend die Geſchenke in Schach¬
teln gut verſiegelt und verwahrt nach Hauſe trugen,
die ihnen in der Nacht einbeſchert werden ſollten.
Weil die Großmutter die Kinder immer ſchon vor
der Zeit zum Fortgehen drängte, damit ſie nicht zu
ſpät nach Hauſe kämen, ſo erzielte ſie hiedurch, daß
die Kinder gerade auf dem Wege bald an dieſer bald
an jener Stelle ſich aufhielten. Sie ſaßen gerne an
Stifter, Jugendſchriften. II. 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/44>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.