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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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"Nein, nein, es wird auch keine mehr gefodert
werden," rief man, und nöthigte ihn zum Sizen.

Er that es, und sagte: "Lassen Sie mich nur noch
einen Augenblik fortfahren. Jeder Mensch hat einen
Punkt der Sehnsucht in seinem Leben, nach dem es
ihn immer hinzieht, und den er erreichen muß, wenn
er ruhig sein will. Meine Sehnsucht ist jenes Git¬
ter dort. Seit ich damals in der Nacht sein Schloß
erbrach, um auf den Thurm zu gehen, und die
Lichterstellung des Feindes zu zeichnen, seit jenem
Augenblike, wo ich es, da ich zurükkehrte, von dem
Feinde besezt fand, und nun nur noch die Aussicht
vor mir hatte, entweder als Spion gefangen und
schimpflich aufgehängt zu werden, oder durch einen
tollkühnen Ritt von vorne heraus in die überraschten
Feinde zu sprengen, um entweder ehrlich zu fallen, oder
eben durch die Unglaublichkeit des Wagstükes durch¬
zukommen -- nach rükwärts hätte ich wegen des
geakerten Bodens und der andern Hindernisse nicht
hinaus sprengen können -- seit jenem Augenblike zog
es mich immer zu dem Gitter, und ich dachte, ich
müsse es doch noch einmal sehen. Darum kam ich her,
und fuhr auf dem Feldwege um den Garten zu dem
Gitter. Und lassen Sie mich es offenherzig sagen,
einen nicht minderen Antheil an meinem Kommen hat

„Nein, nein, es wird auch keine mehr gefodert
werden,“ rief man, und nöthigte ihn zum Sizen.

Er that es, und ſagte: „Laſſen Sie mich nur noch
einen Augenblik fortfahren. Jeder Menſch hat einen
Punkt der Sehnſucht in ſeinem Leben, nach dem es
ihn immer hinzieht, und den er erreichen muß, wenn
er ruhig ſein will. Meine Sehnſucht iſt jenes Git¬
ter dort. Seit ich damals in der Nacht ſein Schloß
erbrach, um auf den Thurm zu gehen, und die
Lichterſtellung des Feindes zu zeichnen, ſeit jenem
Augenblike, wo ich es, da ich zurükkehrte, von dem
Feinde beſezt fand, und nun nur noch die Ausſicht
vor mir hatte, entweder als Spion gefangen und
ſchimpflich aufgehängt zu werden, oder durch einen
tollkühnen Ritt von vorne heraus in die überraſchten
Feinde zu ſprengen, um entweder ehrlich zu fallen, oder
eben durch die Unglaublichkeit des Wagſtükes durch¬
zukommen — nach rükwärts hätte ich wegen des
geakerten Bodens und der andern Hinderniſſe nicht
hinaus ſprengen können — ſeit jenem Augenblike zog
es mich immer zu dem Gitter, und ich dachte, ich
müſſe es doch noch einmal ſehen. Darum kam ich her,
und fuhr auf dem Feldwege um den Garten zu dem
Gitter. Und laſſen Sie mich es offenherzig ſagen,
einen nicht minderen Antheil an meinem Kommen hat

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[260/0271] „Nein, nein, es wird auch keine mehr gefodert werden,“ rief man, und nöthigte ihn zum Sizen. Er that es, und ſagte: „Laſſen Sie mich nur noch einen Augenblik fortfahren. Jeder Menſch hat einen Punkt der Sehnſucht in ſeinem Leben, nach dem es ihn immer hinzieht, und den er erreichen muß, wenn er ruhig ſein will. Meine Sehnſucht iſt jenes Git¬ ter dort. Seit ich damals in der Nacht ſein Schloß erbrach, um auf den Thurm zu gehen, und die Lichterſtellung des Feindes zu zeichnen, ſeit jenem Augenblike, wo ich es, da ich zurükkehrte, von dem Feinde beſezt fand, und nun nur noch die Ausſicht vor mir hatte, entweder als Spion gefangen und ſchimpflich aufgehängt zu werden, oder durch einen tollkühnen Ritt von vorne heraus in die überraſchten Feinde zu ſprengen, um entweder ehrlich zu fallen, oder eben durch die Unglaublichkeit des Wagſtükes durch¬ zukommen — nach rükwärts hätte ich wegen des geakerten Bodens und der andern Hinderniſſe nicht hinaus ſprengen können — ſeit jenem Augenblike zog es mich immer zu dem Gitter, und ich dachte, ich müſſe es doch noch einmal ſehen. Darum kam ich her, und fuhr auf dem Feldwege um den Garten zu dem Gitter. Und laſſen Sie mich es offenherzig ſagen, einen nicht minderen Antheil an meinem Kommen hat

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/271>, abgerufen am 22.11.2024.