von den Felsen umstanden ist, dahin, bis man zu dem ältern Firn gelangt, der die Eisspalten überbaut, und in den meisten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt. An der höchsten Stelle des Firns erheben sich die zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere mithin die Spize des Berges ist. Diese Kuppen sind sehr schwer zu erklimmen; da sie mit einem oft breite¬ ren oft engeren Schneegraben -- dem Firnschrunde -- umgeben sind, der übersprungen werden muß, und da ihre steilrechten Wände nur kleine Absäze haben, in welche der Fuß eingesezt werden muß, so begnügen sich die meisten Besteiger des Berges damit, bis zu dem Firnschrunde gelangt zu sein, und dort die Rund¬ sicht, so weit sie nicht durch das Horn verdekt ist, zu ge¬ nießen. Die den Gipfel besteigen wollen, müssen dies mit Hilfe von Steigeisen, Striken und Klammern thun.
Außer diesem Berge stehen an derselben Mittag¬ seite noch andere, aber keiner ist so hoch, wenn sie sich auch früh im Herbste mit Schnee bedeken, und ihn bis tief in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber nimmt denselben immer weg, und die Felsen glän¬ zen freundlich im Sonnenscheine, und die tiefer gelegenen Wälder zeigen ihr sanftes Grün von breiten blauen Schatten durchschnitten, die so schön sind, daß man sich in seinem Leben nicht satt daran sehen kann.
von den Felſen umſtanden iſt, dahin, bis man zu dem ältern Firn gelangt, der die Eisſpalten überbaut, und in den meiſten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt. An der höchſten Stelle des Firns erheben ſich die zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere mithin die Spize des Berges iſt. Dieſe Kuppen ſind ſehr ſchwer zu erklimmen; da ſie mit einem oft breite¬ ren oft engeren Schneegraben — dem Firnſchrunde — umgeben ſind, der überſprungen werden muß, und da ihre ſteilrechten Wände nur kleine Abſäze haben, in welche der Fuß eingeſezt werden muß, ſo begnügen ſich die meiſten Beſteiger des Berges damit, bis zu dem Firnſchrunde gelangt zu ſein, und dort die Rund¬ ſicht, ſo weit ſie nicht durch das Horn verdekt iſt, zu ge¬ nießen. Die den Gipfel beſteigen wollen, müſſen dies mit Hilfe von Steigeiſen, Striken und Klammern thun.
Außer dieſem Berge ſtehen an derſelben Mittag¬ ſeite noch andere, aber keiner iſt ſo hoch, wenn ſie ſich auch früh im Herbſte mit Schnee bedeken, und ihn bis tief in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber nimmt denſelben immer weg, und die Felſen glän¬ zen freundlich im Sonnenſcheine, und die tiefer gelegenen Wälder zeigen ihr ſanftes Grün von breiten blauen Schatten durchſchnitten, die ſo ſchön ſind, daß man ſich in ſeinem Leben nicht ſatt daran ſehen kann.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="16"/>
von den Felſen umſtanden iſt, dahin, bis man zu dem<lb/>
ältern Firn gelangt, der die Eisſpalten überbaut, und in<lb/>
den meiſten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt.<lb/>
An der höchſten Stelle des Firns erheben ſich die<lb/>
zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere<lb/>
mithin die Spize des Berges iſt. Dieſe Kuppen ſind<lb/>ſehr ſchwer zu erklimmen; da ſie mit einem oft breite¬<lb/>
ren oft engeren Schneegraben — dem Firnſchrunde —<lb/>
umgeben ſind, der überſprungen werden muß, und da<lb/>
ihre ſteilrechten Wände nur kleine Abſäze haben, in<lb/>
welche der Fuß eingeſezt werden muß, ſo begnügen<lb/>ſich die meiſten Beſteiger des Berges damit, bis zu<lb/>
dem Firnſchrunde gelangt zu ſein, und dort die Rund¬<lb/>ſicht, ſo weit ſie nicht durch das Horn verdekt iſt, zu ge¬<lb/>
nießen. Die den Gipfel beſteigen wollen, müſſen dies<lb/>
mit Hilfe von Steigeiſen, Striken und Klammern thun.</p><lb/><p>Außer dieſem Berge ſtehen an derſelben Mittag¬<lb/>ſeite noch andere, aber keiner iſt ſo hoch, wenn ſie ſich<lb/>
auch früh im Herbſte mit Schnee bedeken, und ihn bis tief<lb/>
in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber<lb/>
nimmt denſelben immer weg, und die Felſen glän¬<lb/>
zen freundlich im Sonnenſcheine, und die tiefer<lb/>
gelegenen Wälder zeigen ihr ſanftes Grün von breiten<lb/>
blauen Schatten durchſchnitten, die ſo ſchön ſind, daß<lb/>
man ſich in ſeinem Leben nicht ſatt daran ſehen kann.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[16/0027]
von den Felſen umſtanden iſt, dahin, bis man zu dem
ältern Firn gelangt, der die Eisſpalten überbaut, und in
den meiſten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt.
An der höchſten Stelle des Firns erheben ſich die
zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere
mithin die Spize des Berges iſt. Dieſe Kuppen ſind
ſehr ſchwer zu erklimmen; da ſie mit einem oft breite¬
ren oft engeren Schneegraben — dem Firnſchrunde —
umgeben ſind, der überſprungen werden muß, und da
ihre ſteilrechten Wände nur kleine Abſäze haben, in
welche der Fuß eingeſezt werden muß, ſo begnügen
ſich die meiſten Beſteiger des Berges damit, bis zu
dem Firnſchrunde gelangt zu ſein, und dort die Rund¬
ſicht, ſo weit ſie nicht durch das Horn verdekt iſt, zu ge¬
nießen. Die den Gipfel beſteigen wollen, müſſen dies
mit Hilfe von Steigeiſen, Striken und Klammern thun.
Außer dieſem Berge ſtehen an derſelben Mittag¬
ſeite noch andere, aber keiner iſt ſo hoch, wenn ſie ſich
auch früh im Herbſte mit Schnee bedeken, und ihn bis tief
in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber
nimmt denſelben immer weg, und die Felſen glän¬
zen freundlich im Sonnenſcheine, und die tiefer
gelegenen Wälder zeigen ihr ſanftes Grün von breiten
blauen Schatten durchſchnitten, die ſo ſchön ſind, daß
man ſich in ſeinem Leben nicht ſatt daran ſehen kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/27>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.