von ihm waren natürlich nicht da. Also zu Geschwi¬ stern. Die waren ebenfalls nicht da. Also zu den Vorfahren. Vater und Mutter waren todt, beide hat¬ ten keine Geschwister. Also zu den Großältern. Der einzige Großvater väterlicher Seits hatte einen einzi¬ gen Bruder, dessen nachkommende Linie aber erloschen war. Also zu den Urgroßeltern. Alle von ihnen ab¬ wärts gehenden Linien, die er in dem Buche verzeich¬ net fand, und in den Ländern erforschte, reichten nicht in die Gegenwart. Ihr Erlöschen war ämtlich belegt. Er ging eine Stufe höher, die Sache wurde immer schwieriger. Aber alle Linien, die von allen Stufen sie mögen wie hoch immer sein, hinab liefen, rießen ab, ihr Abriß war beurkundet, und er kam endlich dort an, wo nichts mehr zu wissen ist, und wo keine Abstammung mehr erhellt, oder erweislich ist. Nach¬ dem er so viele Reisen gemacht, nachdem er einen Theil seines Lebens damit zugebracht, nachdem er so¬ gar in den Zeitungen einen Aufruf hatte ergehen las¬ sen, wer mit ihm verwandt sei, möge sich melden, und nachdem manche gekommen waren, aber keinen Beweis hatten beibringen können, gelangte er zu der traurigen Entdekung, daß er ganz und gar keinen Er¬ ben besize.
Er wollte daher wenigstens für den Fall sorgen,
von ihm waren natürlich nicht da. Alſo zu Geſchwi¬ ſtern. Die waren ebenfalls nicht da. Alſo zu den Vorfahren. Vater und Mutter waren todt, beide hat¬ ten keine Geſchwiſter. Alſo zu den Großältern. Der einzige Großvater väterlicher Seits hatte einen einzi¬ gen Bruder, deſſen nachkommende Linie aber erloſchen war. Alſo zu den Urgroßeltern. Alle von ihnen ab¬ wärts gehenden Linien, die er in dem Buche verzeich¬ net fand, und in den Ländern erforſchte, reichten nicht in die Gegenwart. Ihr Erlöſchen war ämtlich belegt. Er ging eine Stufe höher, die Sache wurde immer ſchwieriger. Aber alle Linien, die von allen Stufen ſie mögen wie hoch immer ſein, hinab liefen, rießen ab, ihr Abriß war beurkundet, und er kam endlich dort an, wo nichts mehr zu wiſſen iſt, und wo keine Abſtammung mehr erhellt, oder erweislich iſt. Nach¬ dem er ſo viele Reiſen gemacht, nachdem er einen Theil ſeines Lebens damit zugebracht, nachdem er ſo¬ gar in den Zeitungen einen Aufruf hatte ergehen laſ¬ ſen, wer mit ihm verwandt ſei, möge ſich melden, und nachdem manche gekommen waren, aber keinen Beweis hatten beibringen können, gelangte er zu der traurigen Entdekung, daß er ganz und gar keinen Er¬ ben beſize.
Er wollte daher wenigſtens für den Fall ſorgen,
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von ihm waren natürlich nicht da. Alſo zu Geſchwi¬
ſtern. Die waren ebenfalls nicht da. Alſo zu den
Vorfahren. Vater und Mutter waren todt, beide hat¬
ten keine Geſchwiſter. Alſo zu den Großältern. Der
einzige Großvater väterlicher Seits hatte einen einzi¬
gen Bruder, deſſen nachkommende Linie aber erloſchen
war. Alſo zu den Urgroßeltern. Alle von ihnen ab¬
wärts gehenden Linien, die er in dem Buche verzeich¬
net fand, und in den Ländern erforſchte, reichten nicht
in die Gegenwart. Ihr Erlöſchen war ämtlich belegt.
Er ging eine Stufe höher, die Sache wurde immer
ſchwieriger. Aber alle Linien, die von allen Stufen
ſie mögen wie hoch immer ſein, hinab liefen, rießen
ab, ihr Abriß war beurkundet, und er kam endlich
dort an, wo nichts mehr zu wiſſen iſt, und wo keine
Abſtammung mehr erhellt, oder erweislich iſt. Nach¬
dem er ſo viele Reiſen gemacht, nachdem er einen
Theil ſeines Lebens damit zugebracht, nachdem er ſo¬
gar in den Zeitungen einen Aufruf hatte ergehen laſ¬
ſen, wer mit ihm verwandt ſei, möge ſich melden,
und nachdem manche gekommen waren, aber keinen
Beweis hatten beibringen können, gelangte er zu der
traurigen Entdekung, daß er ganz und gar keinen Er¬
ben beſize.
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/231>, abgerufen am 24.11.2024.
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