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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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wäre, und daß er sie nicht unglüklich machen könne.
Alle Zuredungen seiner Freunde waren umsonst, das
Mädchen bereute bitter seine Empfindung, und be¬
weinte den Tag: aber es war vergebens, und die Ver¬
bindung blieb getrennt.

So kam er nicht dazu, seine Gaben besonders sein
Herz zu verwerthen, und lebte vereinzelt dem Alter
entgegen.

Da er einmal entschlossen war, sich nicht mehr zu
verehlichen, machte er es sich zur Aufgabe, sich seinen
künftigen Erben zu suchen. Das Gut, das außer dem
Schlosse in liegenden Gründen besonders Wäldern
bestand, und die landesüblichen Bezüge hatte, war
einst ein landesfürstliches Lehen gewesen, war aber
in Folge großer Verdienste eines Ahnherrn mit Ab¬
findung entfernter Anwärter in wirkliches Eigenthum
übergegangen. Der Schloßherr, wie sie ihn in der
ganzen Gegend nannten, konnte also mittelst, Testa¬
ment über das Gut verfügen. Er wollte aber der
gesezlichen Erbfolge zugethan bleiben, wollte dem,
der ihm, wenn er ohne Testament stürbe, gesezlich
folgen würde, auch testamentlich seine Nachlassenschaft
zuwenden, nur wollte er den Erben vorher kennen
lernen, ob er der Erbschaft auch würdig wäre.

Er schlug also das Ahnenbuch auf. Abkömmlinge

wäre, und daß er ſie nicht unglüklich machen könne.
Alle Zuredungen ſeiner Freunde waren umſonſt, das
Mädchen bereute bitter ſeine Empfindung, und be¬
weinte den Tag: aber es war vergebens, und die Ver¬
bindung blieb getrennt.

So kam er nicht dazu, ſeine Gaben beſonders ſein
Herz zu verwerthen, und lebte vereinzelt dem Alter
entgegen.

Da er einmal entſchloſſen war, ſich nicht mehr zu
verehlichen, machte er es ſich zur Aufgabe, ſich ſeinen
künftigen Erben zu ſuchen. Das Gut, das außer dem
Schloſſe in liegenden Gründen beſonders Wäldern
beſtand, und die landesüblichen Bezüge hatte, war
einſt ein landesfürſtliches Lehen geweſen, war aber
in Folge großer Verdienſte eines Ahnherrn mit Ab¬
findung entfernter Anwärter in wirkliches Eigenthum
übergegangen. Der Schloßherr, wie ſie ihn in der
ganzen Gegend nannten, konnte alſo mittelſt, Teſta¬
ment über das Gut verfügen. Er wollte aber der
geſezlichen Erbfolge zugethan bleiben, wollte dem,
der ihm, wenn er ohne Teſtament ſtürbe, geſezlich
folgen würde, auch teſtamentlich ſeine Nachlaſſenſchaft
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[219/0230] wäre, und daß er ſie nicht unglüklich machen könne. Alle Zuredungen ſeiner Freunde waren umſonſt, das Mädchen bereute bitter ſeine Empfindung, und be¬ weinte den Tag: aber es war vergebens, und die Ver¬ bindung blieb getrennt. So kam er nicht dazu, ſeine Gaben beſonders ſein Herz zu verwerthen, und lebte vereinzelt dem Alter entgegen. Da er einmal entſchloſſen war, ſich nicht mehr zu verehlichen, machte er es ſich zur Aufgabe, ſich ſeinen künftigen Erben zu ſuchen. Das Gut, das außer dem Schloſſe in liegenden Gründen beſonders Wäldern beſtand, und die landesüblichen Bezüge hatte, war einſt ein landesfürſtliches Lehen geweſen, war aber in Folge großer Verdienſte eines Ahnherrn mit Ab¬ findung entfernter Anwärter in wirkliches Eigenthum übergegangen. Der Schloßherr, wie ſie ihn in der ganzen Gegend nannten, konnte alſo mittelſt, Teſta¬ ment über das Gut verfügen. Er wollte aber der geſezlichen Erbfolge zugethan bleiben, wollte dem, der ihm, wenn er ohne Teſtament ſtürbe, geſezlich folgen würde, auch teſtamentlich ſeine Nachlaſſenſchaft zuwenden, nur wollte er den Erben vorher kennen lernen, ob er der Erbſchaft auch würdig wäre. Er ſchlug alſo das Ahnenbuch auf. Abkömmlinge

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/230>, abgerufen am 10.05.2024.