Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

tige Scheibe schien. Viele Leute, man konnte nicht
unterscheiden, ob es eigene oder schon herzugelaufene
waren, drängten sich wild durch einander.

Die Mutter führte die Kinder nach der Morgen¬
seite des Gartens. Da die Hize den nach aufwärts
strebenden Wind erzeugt hatte, und derselbe die feuri¬
gen Lappen, die aus brennenden Schindeln aus Stroh
Heu oder Linnen und Gewändern der Leute herstamm¬
ten, wie frevelnde Geister in die Luft hinauf, und
aus einander schleuderte, so mußte die Mutter die Kin¬
der vor dem fallenden Feuer zu sichern suchen, damit
sich ihre Kleidchen nicht entzündeten. Sie führte daher
dieselben unter dichten Bäumen und Gebüschen weg.
Sie führte sie in die äußerste Laube an der Morgenseite
des Gartens, vor der zwei reiche Linden standen, die
sogar jeden Funken abhielten, der etwa in dieser Rich¬
tung hätte fallen können.

"Kinder bleibt nun hier, entfernt euch ja nicht,"
sagte die Mutter, "was ihr auch hören mögt. Hier
geschieht euch nichts, ich muß fort, ich komme aber
bald wieder. Bewahrt indessen das Kästchen."

"Ja," sagten die Kinder, "wir werden bleiben."

Nach diesen Worten lief die Mutter aus der
Laube, und lief entschlossen in den Hof, und da ihr
Gatte nicht anwesend war, übernahm sie seine Stelle,

tige Scheibe ſchien. Viele Leute, man konnte nicht
unterſcheiden, ob es eigene oder ſchon herzugelaufene
waren, drängten ſich wild durch einander.

Die Mutter führte die Kinder nach der Morgen¬
ſeite des Gartens. Da die Hize den nach aufwärts
ſtrebenden Wind erzeugt hatte, und derſelbe die feuri¬
gen Lappen, die aus brennenden Schindeln aus Stroh
Heu oder Linnen und Gewändern der Leute herſtamm¬
ten, wie frevelnde Geiſter in die Luft hinauf, und
aus einander ſchleuderte, ſo mußte die Mutter die Kin¬
der vor dem fallenden Feuer zu ſichern ſuchen, damit
ſich ihre Kleidchen nicht entzündeten. Sie führte daher
dieſelben unter dichten Bäumen und Gebüſchen weg.
Sie führte ſie in die äußerſte Laube an der Morgenſeite
des Gartens, vor der zwei reiche Linden ſtanden, die
ſogar jeden Funken abhielten, der etwa in dieſer Rich¬
tung hätte fallen können.

„Kinder bleibt nun hier, entfernt euch ja nicht,“
ſagte die Mutter, „was ihr auch hören mögt. Hier
geſchieht euch nichts, ich muß fort, ich komme aber
bald wieder. Bewahrt indeſſen das Käſtchen.“

„Ja,“ ſagten die Kinder, „wir werden bleiben.“

Nach dieſen Worten lief die Mutter aus der
Laube, und lief entſchloſſen in den Hof, und da ihr
Gatte nicht anweſend war, übernahm ſie ſeine Stelle,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0192" n="181"/>
tige Scheibe &#x017F;chien. Viele Leute, man konnte nicht<lb/>
unter&#x017F;cheiden, ob es eigene oder &#x017F;chon herzugelaufene<lb/>
waren, drängten &#x017F;ich wild durch einander.</p><lb/>
        <p>Die Mutter führte die Kinder nach der Morgen¬<lb/>
&#x017F;eite des Gartens. Da die Hize den nach aufwärts<lb/>
&#x017F;trebenden Wind erzeugt hatte, und der&#x017F;elbe die feuri¬<lb/>
gen Lappen, die aus brennenden Schindeln aus Stroh<lb/>
Heu oder Linnen und Gewändern der Leute her&#x017F;tamm¬<lb/>
ten, wie frevelnde Gei&#x017F;ter in die Luft hinauf, und<lb/>
aus einander &#x017F;chleuderte, &#x017F;o mußte die Mutter die Kin¬<lb/>
der vor dem fallenden Feuer zu &#x017F;ichern &#x017F;uchen, damit<lb/>
&#x017F;ich ihre Kleidchen nicht entzündeten. Sie führte daher<lb/>
die&#x017F;elben unter dichten Bäumen und Gebü&#x017F;chen weg.<lb/>
Sie führte &#x017F;ie in die äußer&#x017F;te Laube an der Morgen&#x017F;eite<lb/>
des Gartens, vor der zwei reiche Linden &#x017F;tanden, die<lb/>
&#x017F;ogar jeden Funken abhielten, der etwa in die&#x017F;er Rich¬<lb/>
tung hätte fallen können.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kinder bleibt nun hier, entfernt euch ja nicht,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte die Mutter, &#x201E;was ihr auch hören mögt. Hier<lb/>
ge&#x017F;chieht euch nichts, ich muß fort, ich komme aber<lb/>
bald wieder. Bewahrt inde&#x017F;&#x017F;en das Kä&#x017F;tchen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; &#x017F;agten die Kinder, &#x201E;wir werden bleiben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;en Worten lief die Mutter aus der<lb/>
Laube, und lief ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en in den Hof, und da ihr<lb/>
Gatte nicht anwe&#x017F;end war, übernahm &#x017F;ie &#x017F;eine Stelle,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0192] tige Scheibe ſchien. Viele Leute, man konnte nicht unterſcheiden, ob es eigene oder ſchon herzugelaufene waren, drängten ſich wild durch einander. Die Mutter führte die Kinder nach der Morgen¬ ſeite des Gartens. Da die Hize den nach aufwärts ſtrebenden Wind erzeugt hatte, und derſelbe die feuri¬ gen Lappen, die aus brennenden Schindeln aus Stroh Heu oder Linnen und Gewändern der Leute herſtamm¬ ten, wie frevelnde Geiſter in die Luft hinauf, und aus einander ſchleuderte, ſo mußte die Mutter die Kin¬ der vor dem fallenden Feuer zu ſichern ſuchen, damit ſich ihre Kleidchen nicht entzündeten. Sie führte daher dieſelben unter dichten Bäumen und Gebüſchen weg. Sie führte ſie in die äußerſte Laube an der Morgenſeite des Gartens, vor der zwei reiche Linden ſtanden, die ſogar jeden Funken abhielten, der etwa in dieſer Rich¬ tung hätte fallen können. „Kinder bleibt nun hier, entfernt euch ja nicht,“ ſagte die Mutter, „was ihr auch hören mögt. Hier geſchieht euch nichts, ich muß fort, ich komme aber bald wieder. Bewahrt indeſſen das Käſtchen.“ „Ja,“ ſagten die Kinder, „wir werden bleiben.“ Nach dieſen Worten lief die Mutter aus der Laube, und lief entſchloſſen in den Hof, und da ihr Gatte nicht anweſend war, übernahm ſie ſeine Stelle,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/192
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/192>, abgerufen am 13.05.2024.