Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

breiten nach aufwärts gehenden Flamme, das Scheuer¬
dach aber war ein Körper von Glut und von Flamme.
Knechte und Mägde rannten unten herum, und schrieen,
und das Fichtenholz der Sparren und Latten krachte
furchtbar unter dem Feuer.

"Kinder! um mich!" schrie die Mutter.

"Mutter, Mutter, Großmutter, Sigismund,
Clementia, Emma!" schrieen die Kinder.

Sie schoßen in das Zimmer zurük, sie ergriffen
Dinge, sie zu retten, und wußten nicht was sie thaten.
Sie nahmen eine Puppe, einen Lappen, oder sonst
etwas, das ihnen in die Hände kam, ob es Werth
hatte oder nicht. Die Mutter hatte schnell einen
Schreibtisch geöffnet, der in der Nebenstube stand,
hatte ein Kästchen aus demselben genommen, stürzte
wieder in die Stube zurük, raffte die Kinder, die mit
Verschiedenem beladen waren, zusammen, und führte
sie die Vordertreppe, die von dem Feuer weggewendet
war, hinunter ins Freie. Da sie die Hausthür hinter
sich hatten, hörten sie erst recht das Brüllen Wehen
und Krachen der furchtbaren Macht, die hinter ihnen
auf der andern Seite des Hauses in ihrem Eigen¬
thume herrschte. Die stille Luft drükte den Rauch nie¬
der, der sich an der Abendseite des Hauses lagerte,
und durch den die untergehende Sonne wie eine blu¬

breiten nach aufwärts gehenden Flamme, das Scheuer¬
dach aber war ein Körper von Glut und von Flamme.
Knechte und Mägde rannten unten herum, und ſchrieen,
und das Fichtenholz der Sparren und Latten krachte
furchtbar unter dem Feuer.

„Kinder! um mich!“ ſchrie die Mutter.

„Mutter, Mutter, Großmutter, Sigismund,
Clementia, Emma!“ ſchrieen die Kinder.

Sie ſchoßen in das Zimmer zurük, ſie ergriffen
Dinge, ſie zu retten, und wußten nicht was ſie thaten.
Sie nahmen eine Puppe, einen Lappen, oder ſonſt
etwas, das ihnen in die Hände kam, ob es Werth
hatte oder nicht. Die Mutter hatte ſchnell einen
Schreibtiſch geöffnet, der in der Nebenſtube ſtand,
hatte ein Käſtchen aus demſelben genommen, ſtürzte
wieder in die Stube zurük, raffte die Kinder, die mit
Verſchiedenem beladen waren, zuſammen, und führte
ſie die Vordertreppe, die von dem Feuer weggewendet
war, hinunter ins Freie. Da ſie die Hausthür hinter
ſich hatten, hörten ſie erſt recht das Brüllen Wehen
und Krachen der furchtbaren Macht, die hinter ihnen
auf der andern Seite des Hauſes in ihrem Eigen¬
thume herrſchte. Die ſtille Luft drükte den Rauch nie¬
der, der ſich an der Abendſeite des Hauſes lagerte,
und durch den die untergehende Sonne wie eine blu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="180"/>
breiten nach aufwärts gehenden Flamme, das Scheuer¬<lb/>
dach aber war ein Körper von Glut und von Flamme.<lb/>
Knechte und Mägde rannten unten herum, und &#x017F;chrieen,<lb/>
und das Fichtenholz der Sparren und Latten krachte<lb/>
furchtbar unter dem Feuer.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kinder! um mich!&#x201C; &#x017F;chrie die Mutter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mutter, Mutter, Großmutter, Sigismund,<lb/>
Clementia, Emma!&#x201C; &#x017F;chrieen die Kinder.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;choßen in das Zimmer zurük, &#x017F;ie ergriffen<lb/>
Dinge, &#x017F;ie zu retten, und wußten nicht was &#x017F;ie thaten.<lb/>
Sie nahmen eine Puppe, einen Lappen, oder &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
etwas, das ihnen in die Hände kam, ob es Werth<lb/>
hatte oder nicht. Die Mutter hatte &#x017F;chnell einen<lb/>
Schreibti&#x017F;ch geöffnet, der in der Neben&#x017F;tube &#x017F;tand,<lb/>
hatte ein Kä&#x017F;tchen aus dem&#x017F;elben genommen, &#x017F;türzte<lb/>
wieder in die Stube zurük, raffte die Kinder, die mit<lb/>
Ver&#x017F;chiedenem beladen waren, zu&#x017F;ammen, und führte<lb/>
&#x017F;ie die Vordertreppe, die von dem Feuer weggewendet<lb/>
war, hinunter ins Freie. Da &#x017F;ie die Hausthür hinter<lb/>
&#x017F;ich hatten, hörten &#x017F;ie er&#x017F;t recht das Brüllen Wehen<lb/>
und Krachen der furchtbaren Macht, die hinter ihnen<lb/>
auf der andern Seite des Hau&#x017F;es in ihrem Eigen¬<lb/>
thume herr&#x017F;chte. Die &#x017F;tille Luft drükte den Rauch nie¬<lb/>
der, der &#x017F;ich an der Abend&#x017F;eite des Hau&#x017F;es lagerte,<lb/>
und durch den die untergehende Sonne wie eine blu¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0191] breiten nach aufwärts gehenden Flamme, das Scheuer¬ dach aber war ein Körper von Glut und von Flamme. Knechte und Mägde rannten unten herum, und ſchrieen, und das Fichtenholz der Sparren und Latten krachte furchtbar unter dem Feuer. „Kinder! um mich!“ ſchrie die Mutter. „Mutter, Mutter, Großmutter, Sigismund, Clementia, Emma!“ ſchrieen die Kinder. Sie ſchoßen in das Zimmer zurük, ſie ergriffen Dinge, ſie zu retten, und wußten nicht was ſie thaten. Sie nahmen eine Puppe, einen Lappen, oder ſonſt etwas, das ihnen in die Hände kam, ob es Werth hatte oder nicht. Die Mutter hatte ſchnell einen Schreibtiſch geöffnet, der in der Nebenſtube ſtand, hatte ein Käſtchen aus demſelben genommen, ſtürzte wieder in die Stube zurük, raffte die Kinder, die mit Verſchiedenem beladen waren, zuſammen, und führte ſie die Vordertreppe, die von dem Feuer weggewendet war, hinunter ins Freie. Da ſie die Hausthür hinter ſich hatten, hörten ſie erſt recht das Brüllen Wehen und Krachen der furchtbaren Macht, die hinter ihnen auf der andern Seite des Hauſes in ihrem Eigen¬ thume herrſchte. Die ſtille Luft drükte den Rauch nie¬ der, der ſich an der Abendſeite des Hauſes lagerte, und durch den die untergehende Sonne wie eine blu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/191
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/191>, abgerufen am 13.05.2024.