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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Die Kinder waren unterdessen in ihrem Geplauder
fortgefahren, sie sagten allerlei zu den Erwachsenen
und unter sich, und verstanden nichts von dem ernst¬
haften Gespräche, das ihretwillen stattgefunden hatte.

Als es später geworden war, als doch schon der
Sand in die schönen Äuglein zu kommen anfing,
wurden sie zu Bette gebracht. Blondköpfchen hatte
sein Schlafgemach neben dem der Eltern, Braunköpf¬
chen hatte es auf der entgegengesezten Seite, und
Schwarzköpfchen hatte sich noch von der Großmutter
nicht trennen können; es schlief in dem Gemache
derselben, und entschlummerte, wenn das Auge der
alten Frau sein Bett behütete, und erwachte, wenn
dasselbe Auge auf seine Lider schaute, und ihr Öffnen
erwartete. Die zwei ersten Kinder wurden in ihre
Schlafkämmerlein geführt, Schwarzköpfchen wurde
von der Großmutter auf den Arm genommen, und
nachdem man gute Nacht gesagt hatte, über den Gang
in die gemeinschaftliche Schlafstube getragen. Was
die beiden Eltern vor dem Bilde des Gekreuzigten
gebethet haben, weiß niemand, weil es nur ein ehe¬
liches Geheimniß ist, wenn sie ihre Freude oder ihren
Schmerz vor Gott ausschütten.

Am andern Morgen war ein kühler Tag. Wol¬
kenhaufen zogen beständig von der Gegend des Son¬

Die Kinder waren unterdeſſen in ihrem Geplauder
fortgefahren, ſie ſagten allerlei zu den Erwachſenen
und unter ſich, und verſtanden nichts von dem ernſt¬
haften Geſpräche, das ihretwillen ſtattgefunden hatte.

Als es ſpäter geworden war, als doch ſchon der
Sand in die ſchönen Äuglein zu kommen anfing,
wurden ſie zu Bette gebracht. Blondköpfchen hatte
ſein Schlafgemach neben dem der Eltern, Braunköpf¬
chen hatte es auf der entgegengeſezten Seite, und
Schwarzköpfchen hatte ſich noch von der Großmutter
nicht trennen können; es ſchlief in dem Gemache
derſelben, und entſchlummerte, wenn das Auge der
alten Frau ſein Bett behütete, und erwachte, wenn
dasſelbe Auge auf ſeine Lider ſchaute, und ihr Öffnen
erwartete. Die zwei erſten Kinder wurden in ihre
Schlafkämmerlein geführt, Schwarzköpfchen wurde
von der Großmutter auf den Arm genommen, und
nachdem man gute Nacht geſagt hatte, über den Gang
in die gemeinſchaftliche Schlafſtube getragen. Was
die beiden Eltern vor dem Bilde des Gekreuzigten
gebethet haben, weiß niemand, weil es nur ein ehe¬
liches Geheimniß iſt, wenn ſie ihre Freude oder ihren
Schmerz vor Gott ausſchütten.

Am andern Morgen war ein kühler Tag. Wol¬
kenhaufen zogen beſtändig von der Gegend des Son¬

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[150/0161] Die Kinder waren unterdeſſen in ihrem Geplauder fortgefahren, ſie ſagten allerlei zu den Erwachſenen und unter ſich, und verſtanden nichts von dem ernſt¬ haften Geſpräche, das ihretwillen ſtattgefunden hatte. Als es ſpäter geworden war, als doch ſchon der Sand in die ſchönen Äuglein zu kommen anfing, wurden ſie zu Bette gebracht. Blondköpfchen hatte ſein Schlafgemach neben dem der Eltern, Braunköpf¬ chen hatte es auf der entgegengeſezten Seite, und Schwarzköpfchen hatte ſich noch von der Großmutter nicht trennen können; es ſchlief in dem Gemache derſelben, und entſchlummerte, wenn das Auge der alten Frau ſein Bett behütete, und erwachte, wenn dasſelbe Auge auf ſeine Lider ſchaute, und ihr Öffnen erwartete. Die zwei erſten Kinder wurden in ihre Schlafkämmerlein geführt, Schwarzköpfchen wurde von der Großmutter auf den Arm genommen, und nachdem man gute Nacht geſagt hatte, über den Gang in die gemeinſchaftliche Schlafſtube getragen. Was die beiden Eltern vor dem Bilde des Gekreuzigten gebethet haben, weiß niemand, weil es nur ein ehe¬ liches Geheimniß iſt, wenn ſie ihre Freude oder ihren Schmerz vor Gott ausſchütten. Am andern Morgen war ein kühler Tag. Wol¬ kenhaufen zogen beſtändig von der Gegend des Son¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/161>, abgerufen am 25.11.2024.