Weiße der Blätter sichtbar wurde, und jagte den Hagel auf sie nieder, daß es wie weiße herabsausende Blize war. Es schlug auf das Laub, es schlug gegen das Holz, es schlug gegen die Erde, die Körner schlugen gegen einander, daß ein Gebrülle wurde, daß man die Blize sah, welche den Nußberg entflamm¬ ten, aber keinen Donner zu hören vermochte. Das Laub wurde herab geschlagen, die Zweige wurden herab geschlagen, die Äste wurden abgebrochen, der Rasen wurde gefurcht, als wären eiserne Eggenzähne über ihn gegangen. Die Hagelkörner waren so groß, daß sie einen erwachsenen Menschen hätten tödten können. Sie zerschlugen auch die Haseln, die hinter den Bündeln waren, daß man ihren Schlag auf die Bündel vernahm.
Und auf den ganzen Berg und auf die Thäler fiel es so nieder. Was Widerstand leistete, wurde zer¬ malmt, was fest war, wurde zerschmettert, was Leben hatte, wurde getödtet. Nur weiche Dinge widerstan¬ den, wie die durch die Schlossen zerstampfte Erde und die Reisigbündel. Wie weiße Pfeile fuhr das Eis in der finstern Luft gegen die schwarze Erde, daß man ihre Dinge nicht mehr erkennen konnte.
Was die Kinder fühlten, weiß man nicht, sie wußten es selber nicht. Sie lagen enge an einander
Stifter, Jugendschriften. II. 9
Weiße der Blätter ſichtbar wurde, und jagte den Hagel auf ſie nieder, daß es wie weiße herabſauſende Blize war. Es ſchlug auf das Laub, es ſchlug gegen das Holz, es ſchlug gegen die Erde, die Körner ſchlugen gegen einander, daß ein Gebrülle wurde, daß man die Blize ſah, welche den Nußberg entflamm¬ ten, aber keinen Donner zu hören vermochte. Das Laub wurde herab geſchlagen, die Zweige wurden herab geſchlagen, die Äſte wurden abgebrochen, der Raſen wurde gefurcht, als wären eiſerne Eggenzähne über ihn gegangen. Die Hagelkörner waren ſo groß, daß ſie einen erwachſenen Menſchen hätten tödten können. Sie zerſchlugen auch die Haſeln, die hinter den Bündeln waren, daß man ihren Schlag auf die Bündel vernahm.
Und auf den ganzen Berg und auf die Thäler fiel es ſo nieder. Was Widerſtand leiſtete, wurde zer¬ malmt, was feſt war, wurde zerſchmettert, was Leben hatte, wurde getödtet. Nur weiche Dinge widerſtan¬ den, wie die durch die Schloſſen zerſtampfte Erde und die Reiſigbündel. Wie weiße Pfeile fuhr das Eis in der finſtern Luft gegen die ſchwarze Erde, daß man ihre Dinge nicht mehr erkennen konnte.
Was die Kinder fühlten, weiß man nicht, ſie wußten es ſelber nicht. Sie lagen enge an einander
Stifter, Jugendſchriften. II. 9
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Weiße der Blätter ſichtbar wurde, und jagte den
Hagel auf ſie nieder, daß es wie weiße herabſauſende
Blize war. Es ſchlug auf das Laub, es ſchlug gegen
das Holz, es ſchlug gegen die Erde, die Körner
ſchlugen gegen einander, daß ein Gebrülle wurde,
daß man die Blize ſah, welche den Nußberg entflamm¬
ten, aber keinen Donner zu hören vermochte. Das
Laub wurde herab geſchlagen, die Zweige wurden
herab geſchlagen, die Äſte wurden abgebrochen, der
Raſen wurde gefurcht, als wären eiſerne Eggenzähne
über ihn gegangen. Die Hagelkörner waren ſo groß,
daß ſie einen erwachſenen Menſchen hätten tödten
können. Sie zerſchlugen auch die Haſeln, die hinter
den Bündeln waren, daß man ihren Schlag auf die
Bündel vernahm.
Und auf den ganzen Berg und auf die Thäler fiel
es ſo nieder. Was Widerſtand leiſtete, wurde zer¬
malmt, was feſt war, wurde zerſchmettert, was Leben
hatte, wurde getödtet. Nur weiche Dinge widerſtan¬
den, wie die durch die Schloſſen zerſtampfte Erde und
die Reiſigbündel. Wie weiße Pfeile fuhr das Eis in
der finſtern Luft gegen die ſchwarze Erde, daß man
ihre Dinge nicht mehr erkennen konnte.
Was die Kinder fühlten, weiß man nicht, ſie
wußten es ſelber nicht. Sie lagen enge an einander
Stifter, Jugendſchriften. II. 9
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/140>, abgerufen am 16.02.2025.
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