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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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und hatten dem fremden Mädchen liebliche Dinge
mitgebracht.

Die Wolken aber wurden nach und nach immer
deutlicher, und an ihren oberen Rändern waren sie
von der Sonne beschienen, und glänzten, als ob ge¬
schmolzenes Silber herab flöße.

Die Hize wurde immer größer, und weil man
in ihr im Herbste müder wird als im Sommer, so
blieben sie noch immer auf dem Berge sizen.

Die Großmutter schaute nach den Wolken. Wenn
es Sommer gewesen wäre, würde sie gedacht haben,
daß ein Gewitter kommen könnte; aber in dieser Jah¬
reszeit war das nicht möglich, und es war daran nicht
zu denken. Das braune Mädchen sah auch nach den
Wolken.

Wenn im üblen Falle ein leichter Herbststaubregen
käme, dachte die Großmutter, so macht das nichts,
da die Kinder gewohnt seien, naß zu werden, und da
dies ihrer Gesundheit eher zuträglich ist.

Aber bald sollte sie anders denken. Man hörte
aus den Wolken schwach donnern.

Man wartete noch ein Weilchen und der Donner
wiederholte sich.

Die Großmutter überlegte nun, was zu thun sei.
Zwischen dem hohen Nußberge und dem Hofe ihres

und hatten dem fremden Mädchen liebliche Dinge
mitgebracht.

Die Wolken aber wurden nach und nach immer
deutlicher, und an ihren oberen Rändern waren ſie
von der Sonne beſchienen, und glänzten, als ob ge¬
ſchmolzenes Silber herab flöße.

Die Hize wurde immer größer, und weil man
in ihr im Herbſte müder wird als im Sommer, ſo
blieben ſie noch immer auf dem Berge ſizen.

Die Großmutter ſchaute nach den Wolken. Wenn
es Sommer geweſen wäre, würde ſie gedacht haben,
daß ein Gewitter kommen könnte; aber in dieſer Jah¬
reszeit war das nicht möglich, und es war daran nicht
zu denken. Das braune Mädchen ſah auch nach den
Wolken.

Wenn im üblen Falle ein leichter Herbſtſtaubregen
käme, dachte die Großmutter, ſo macht das nichts,
da die Kinder gewohnt ſeien, naß zu werden, und da
dies ihrer Geſundheit eher zuträglich iſt.

Aber bald ſollte ſie anders denken. Man hörte
aus den Wolken ſchwach donnern.

Man wartete noch ein Weilchen und der Donner
wiederholte ſich.

Die Großmutter überlegte nun, was zu thun ſei.
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[123/0134] und hatten dem fremden Mädchen liebliche Dinge mitgebracht. Die Wolken aber wurden nach und nach immer deutlicher, und an ihren oberen Rändern waren ſie von der Sonne beſchienen, und glänzten, als ob ge¬ ſchmolzenes Silber herab flöße. Die Hize wurde immer größer, und weil man in ihr im Herbſte müder wird als im Sommer, ſo blieben ſie noch immer auf dem Berge ſizen. Die Großmutter ſchaute nach den Wolken. Wenn es Sommer geweſen wäre, würde ſie gedacht haben, daß ein Gewitter kommen könnte; aber in dieſer Jah¬ reszeit war das nicht möglich, und es war daran nicht zu denken. Das braune Mädchen ſah auch nach den Wolken. Wenn im üblen Falle ein leichter Herbſtſtaubregen käme, dachte die Großmutter, ſo macht das nichts, da die Kinder gewohnt ſeien, naß zu werden, und da dies ihrer Geſundheit eher zuträglich iſt. Aber bald ſollte ſie anders denken. Man hörte aus den Wolken ſchwach donnern. Man wartete noch ein Weilchen und der Donner wiederholte ſich. Die Großmutter überlegte nun, was zu thun ſei. Zwiſchen dem hohen Nußberge und dem Hofe ihres

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/134>, abgerufen am 06.05.2024.