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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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dem Schlafzimmer der Eltern herein fiel, daß die
Mutter herein ging, ohne daß ich mich zu vollem
Bewußtsein empor richten konnte. Sie ging zu dem
Gefäße des Weihbrunnens, nezte sich die Finger,
ging zu mir, besprizte mich, und machte mir das
Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Brust, ich erkannte,
daß alles verziehen sei, und schlief nun plözlich mit
Versöhnungfreuden, ich kann sagen, beseligt ein.

Aber der erste Schlaf ist doch kein ruhiger gewe¬
sen. Ich hatte viele Sachen bei mir, Todte, Sterbende,
Pestkranke, Drillingsföhren, das Waldmädchen, den
Machtbauer, des Nachbars Vogelbeerbaum, und der
alte Andreas strich mir schon wieder die Füsse an.
Aber der Verlauf des Schlafes muß gut gewesen sein;
denn als man mich erwekte schien die Sonne durch die
Fenster herein, es war ein lieblicher Sonntag, alles
war festlich, wir bekamen nach dem Gebethe das Fest¬
tagsfrühstük, bekamen die Festtagskleider, und als
ich auf die Gasse ging, war alles rein frisch und klar,
die Dinge der Nacht waren dahin, und der Vogel¬
beerbaum des Nachbars war nicht halb so groß als
gestern. Wir erhielten unsere Gebethbücher, und
gingen in die Kirche, wo wir den Vater und Gro߬
vater auf ihren Pläzen in dem Bürgerstuhle sahen.

Seitdem sind viele Jahre vergangen, der Stein

dem Schlafzimmer der Eltern herein fiel, daß die
Mutter herein ging, ohne daß ich mich zu vollem
Bewußtſein empor richten konnte. Sie ging zu dem
Gefäße des Weihbrunnens, nezte ſich die Finger,
ging zu mir, beſprizte mich, und machte mir das
Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Bruſt, ich erkannte,
daß alles verziehen ſei, und ſchlief nun plözlich mit
Verſöhnungfreuden, ich kann ſagen, beſeligt ein.

Aber der erſte Schlaf iſt doch kein ruhiger gewe¬
ſen. Ich hatte viele Sachen bei mir, Todte, Sterbende,
Peſtkranke, Drillingsföhren, das Waldmädchen, den
Machtbauer, des Nachbars Vogelbeerbaum, und der
alte Andreas ſtrich mir ſchon wieder die Füſſe an.
Aber der Verlauf des Schlafes muß gut geweſen ſein;
denn als man mich erwekte ſchien die Sonne durch die
Fenſter herein, es war ein lieblicher Sonntag, alles
war feſtlich, wir bekamen nach dem Gebethe das Feſt¬
tagsfrühſtük, bekamen die Feſttagskleider, und als
ich auf die Gaſſe ging, war alles rein friſch und klar,
die Dinge der Nacht waren dahin, und der Vogel¬
beerbaum des Nachbars war nicht halb ſo groß als
geſtern. Wir erhielten unſere Gebethbücher, und
gingen in die Kirche, wo wir den Vater und Gro߬
vater auf ihren Pläzen in dem Bürgerſtuhle ſahen.

Seitdem ſind viele Jahre vergangen, der Stein

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[78/0091] dem Schlafzimmer der Eltern herein fiel, daß die Mutter herein ging, ohne daß ich mich zu vollem Bewußtſein empor richten konnte. Sie ging zu dem Gefäße des Weihbrunnens, nezte ſich die Finger, ging zu mir, beſprizte mich, und machte mir das Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Bruſt, ich erkannte, daß alles verziehen ſei, und ſchlief nun plözlich mit Verſöhnungfreuden, ich kann ſagen, beſeligt ein. Aber der erſte Schlaf iſt doch kein ruhiger gewe¬ ſen. Ich hatte viele Sachen bei mir, Todte, Sterbende, Peſtkranke, Drillingsföhren, das Waldmädchen, den Machtbauer, des Nachbars Vogelbeerbaum, und der alte Andreas ſtrich mir ſchon wieder die Füſſe an. Aber der Verlauf des Schlafes muß gut geweſen ſein; denn als man mich erwekte ſchien die Sonne durch die Fenſter herein, es war ein lieblicher Sonntag, alles war feſtlich, wir bekamen nach dem Gebethe das Feſt¬ tagsfrühſtük, bekamen die Feſttagskleider, und als ich auf die Gaſſe ging, war alles rein friſch und klar, die Dinge der Nacht waren dahin, und der Vogel¬ beerbaum des Nachbars war nicht halb ſo groß als geſtern. Wir erhielten unſere Gebethbücher, und gingen in die Kirche, wo wir den Vater und Gro߬ vater auf ihren Pläzen in dem Bürgerſtuhle ſahen. Seitdem ſind viele Jahre vergangen, der Stein

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/91>, abgerufen am 26.11.2024.