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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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länger gestrekt, und ich schaute stets auf den schwarzen
Vogelbeerbaum des Nachbars.

Da strekte sich das Antliz der Großmutter aus der
Thür heraus, und sie fragte, ob wir denn nicht zum
Essen gehen wollten. Wir gingen nun in die Stube
der Großeltern, die Großmutter that ein schönes aus
braun- und weißgestreiftem Pflaumenholze verfertig¬
tes Hängetischchen von der Wand herab, überdekte es
mit weißen Linnen, gab uns Teller, und Eßgeräthe,
und stellte ein Huhn mit Reis auf. Da wir aßen,
sagte sie mit böser Miene, daß der Großvater noch
thörichter und unbesonnener sei als der Enkel, weil
er zum Waschen von Wagenschmierfüssen eine grün¬
glasirte Schüssel genommen habe, so daß man sie jezt
aus Ekel zu nichts mehr verwenden könne.

Der Großvater lächelte und sagte: "So zerbrechen
wir die Schüssel, daß sie nicht einmal aus, Unacht¬
samkeit doch genommen wird, und kaufen eine neue;
es ist doch besser, als wenn der Schelm länger in der
Angst geblieben wäre. Du nimmst dich ja auch um
ihn an."

Bei diesen Worten zeigte er gegen den Ofen, wo
in einem kleinen Wännchen meine Pechhöschen ein¬
geweicht waren.

Als wir gegessen hatten, sagte der Großvater, daß

länger geſtrekt, und ich ſchaute ſtets auf den ſchwarzen
Vogelbeerbaum des Nachbars.

Da ſtrekte ſich das Antliz der Großmutter aus der
Thür heraus, und ſie fragte, ob wir denn nicht zum
Eſſen gehen wollten. Wir gingen nun in die Stube
der Großeltern, die Großmutter that ein ſchönes aus
braun- und weißgeſtreiftem Pflaumenholze verfertig¬
tes Hängetiſchchen von der Wand herab, überdekte es
mit weißen Linnen, gab uns Teller, und Eßgeräthe,
und ſtellte ein Huhn mit Reis auf. Da wir aßen,
ſagte ſie mit böſer Miene, daß der Großvater noch
thörichter und unbeſonnener ſei als der Enkel, weil
er zum Waſchen von Wagenſchmierfüſſen eine grün¬
glaſirte Schüſſel genommen habe, ſo daß man ſie jezt
aus Ekel zu nichts mehr verwenden könne.

Der Großvater lächelte und ſagte: „So zerbrechen
wir die Schüſſel, daß ſie nicht einmal aus, Unacht¬
ſamkeit doch genommen wird, und kaufen eine neue;
es iſt doch beſſer, als wenn der Schelm länger in der
Angſt geblieben wäre. Du nimmſt dich ja auch um
ihn an.“

Bei dieſen Worten zeigte er gegen den Ofen, wo
in einem kleinen Wännchen meine Pechhöschen ein¬
geweicht waren.

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[76/0089] länger geſtrekt, und ich ſchaute ſtets auf den ſchwarzen Vogelbeerbaum des Nachbars. Da ſtrekte ſich das Antliz der Großmutter aus der Thür heraus, und ſie fragte, ob wir denn nicht zum Eſſen gehen wollten. Wir gingen nun in die Stube der Großeltern, die Großmutter that ein ſchönes aus braun- und weißgeſtreiftem Pflaumenholze verfertig¬ tes Hängetiſchchen von der Wand herab, überdekte es mit weißen Linnen, gab uns Teller, und Eßgeräthe, und ſtellte ein Huhn mit Reis auf. Da wir aßen, ſagte ſie mit böſer Miene, daß der Großvater noch thörichter und unbeſonnener ſei als der Enkel, weil er zum Waſchen von Wagenſchmierfüſſen eine grün¬ glaſirte Schüſſel genommen habe, ſo daß man ſie jezt aus Ekel zu nichts mehr verwenden könne. Der Großvater lächelte und ſagte: „So zerbrechen wir die Schüſſel, daß ſie nicht einmal aus, Unacht¬ ſamkeit doch genommen wird, und kaufen eine neue; es iſt doch beſſer, als wenn der Schelm länger in der Angſt geblieben wäre. Du nimmſt dich ja auch um ihn an.“ Bei dieſen Worten zeigte er gegen den Ofen, wo in einem kleinen Wännchen meine Pechhöschen ein¬ geweicht waren. Als wir gegeſſen hatten, ſagte der Großvater, daß

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/89>, abgerufen am 01.05.2024.