Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Pest das Getreide zur Mühle brachten, und ihr Mehl
haben wollten; daher noch heute das Sprichwort
kömmt: "Ich habe mehr Arbeit als der Krumme im
Hammer." Von den Priestern in Oberplan ist nur
der alte Pfarrer übrig geblieben, um der Seelsorge zu
pflegen, die zwei Kapläne sind gestorben, auch der
Küster ist gestorben und sein Sohn, der schon die
Priesterweihe hatte. Von den Badhäusern, die neben
der kurzen Zeile des Marktes die gebogene Gasse
machen, sind drei gänzlich ausgestorben."

Nach diesen Worten gingen wir in dem Hohlwege
und unter allerlei lieblichen Spielen von Licht und
Farben, welche die Sonne in den grünen Blättern
der Gesträuche verursachte, in das Dorf Melm
hinunter.

Der Großvater hatte in dem ersten Hause dessel¬
ben im Machthofe zu thun. Wir gingen deßhalb durch
den großen Schwibbogen desselben hinein. Der
Machtbauer stand in dem Hofe, hatte bloße Hemd¬
ärmel an den Armen und viele hochgipflige Metall¬
knöpfe auf der Weste. Er grüßte den Großvater, als
er ihn sah, und führte ihn in die Stube; mich aber
ließen sie auf einem kleinen hölzernen Bänklein neben
der Thür im Hofe sizen, und schikten mir ein Butter¬
brod, das ich verzehrte. Ich rastete, betrachtete die

4*

Peſt das Getreide zur Mühle brachten, und ihr Mehl
haben wollten; daher noch heute das Sprichwort
kömmt: „Ich habe mehr Arbeit als der Krumme im
Hammer.“ Von den Prieſtern in Oberplan iſt nur
der alte Pfarrer übrig geblieben, um der Seelſorge zu
pflegen, die zwei Kapläne ſind geſtorben, auch der
Küſter iſt geſtorben und ſein Sohn, der ſchon die
Prieſterweihe hatte. Von den Badhäuſern, die neben
der kurzen Zeile des Marktes die gebogene Gaſſe
machen, ſind drei gänzlich ausgeſtorben.“

Nach dieſen Worten gingen wir in dem Hohlwege
und unter allerlei lieblichen Spielen von Licht und
Farben, welche die Sonne in den grünen Blättern
der Geſträuche verurſachte, in das Dorf Melm
hinunter.

Der Großvater hatte in dem erſten Hauſe desſel¬
ben im Machthofe zu thun. Wir gingen deßhalb durch
den großen Schwibbogen desſelben hinein. Der
Machtbauer ſtand in dem Hofe, hatte bloße Hemd¬
ärmel an den Armen und viele hochgipflige Metall¬
knöpfe auf der Weſte. Er grüßte den Großvater, als
er ihn ſah, und führte ihn in die Stube; mich aber
ließen ſie auf einem kleinen hölzernen Bänklein neben
der Thür im Hofe ſizen, und ſchikten mir ein Butter¬
brod, das ich verzehrte. Ich raſtete, betrachtete die

4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="51"/>
Pe&#x017F;t das Getreide zur Mühle brachten, und ihr Mehl<lb/>
haben wollten; daher noch heute das Sprichwort<lb/>
kömmt: &#x201E;Ich habe mehr Arbeit als der Krumme im<lb/>
Hammer.&#x201C; Von den Prie&#x017F;tern in Oberplan i&#x017F;t nur<lb/>
der alte Pfarrer übrig geblieben, um der Seel&#x017F;orge zu<lb/>
pflegen, die zwei Kapläne &#x017F;ind ge&#x017F;torben, auch der<lb/>&#x017F;ter i&#x017F;t ge&#x017F;torben und &#x017F;ein Sohn, der &#x017F;chon die<lb/>
Prie&#x017F;terweihe hatte. Von den Badhäu&#x017F;ern, die neben<lb/>
der kurzen Zeile des Marktes die gebogene Ga&#x017F;&#x017F;e<lb/>
machen, &#x017F;ind drei gänzlich ausge&#x017F;torben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;en Worten gingen wir in dem Hohlwege<lb/>
und unter allerlei lieblichen Spielen von Licht und<lb/>
Farben, welche die Sonne in den grünen Blättern<lb/>
der Ge&#x017F;träuche verur&#x017F;achte, in das Dorf Melm<lb/>
hinunter.</p><lb/>
          <p>Der Großvater hatte in dem er&#x017F;ten Hau&#x017F;e des&#x017F;el¬<lb/>
ben im Machthofe zu thun. Wir gingen deßhalb durch<lb/>
den großen Schwibbogen des&#x017F;elben hinein. Der<lb/>
Machtbauer &#x017F;tand in dem Hofe, hatte bloße Hemd¬<lb/>
ärmel an den Armen und viele hochgipflige Metall¬<lb/>
knöpfe auf der We&#x017F;te. Er grüßte den Großvater, als<lb/>
er ihn &#x017F;ah, und führte ihn in die Stube; mich aber<lb/>
ließen &#x017F;ie auf einem kleinen hölzernen Bänklein neben<lb/>
der Thür im Hofe &#x017F;izen, und &#x017F;chikten mir ein Butter¬<lb/>
brod, das ich verzehrte. Ich ra&#x017F;tete, betrachtete die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0064] Peſt das Getreide zur Mühle brachten, und ihr Mehl haben wollten; daher noch heute das Sprichwort kömmt: „Ich habe mehr Arbeit als der Krumme im Hammer.“ Von den Prieſtern in Oberplan iſt nur der alte Pfarrer übrig geblieben, um der Seelſorge zu pflegen, die zwei Kapläne ſind geſtorben, auch der Küſter iſt geſtorben und ſein Sohn, der ſchon die Prieſterweihe hatte. Von den Badhäuſern, die neben der kurzen Zeile des Marktes die gebogene Gaſſe machen, ſind drei gänzlich ausgeſtorben.“ Nach dieſen Worten gingen wir in dem Hohlwege und unter allerlei lieblichen Spielen von Licht und Farben, welche die Sonne in den grünen Blättern der Geſträuche verurſachte, in das Dorf Melm hinunter. Der Großvater hatte in dem erſten Hauſe desſel¬ ben im Machthofe zu thun. Wir gingen deßhalb durch den großen Schwibbogen desſelben hinein. Der Machtbauer ſtand in dem Hofe, hatte bloße Hemd¬ ärmel an den Armen und viele hochgipflige Metall¬ knöpfe auf der Weſte. Er grüßte den Großvater, als er ihn ſah, und führte ihn in die Stube; mich aber ließen ſie auf einem kleinen hölzernen Bänklein neben der Thür im Hofe ſizen, und ſchikten mir ein Butter¬ brod, das ich verzehrte. Ich raſtete, betrachtete die 4*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/64
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/64>, abgerufen am 30.04.2024.