Ich sah mir den Baum recht an, dann gingen wir weiter, und kamen nach einiger Zeit allmählich aus den Dürrschnäbeln hinaus. Die Stämme wurden dünner, sie wurden seltener, hörten endlich ganz auf, und wir gingen auf einem sehr steinigen Wege zwischen Fel¬ dern, die jezt wieder erschienen, hinauf. Hier zeigte mir der Großvater wieder einen Baum, und sagte: "Siehe, das ist die Machtbuche, das ist der bedeut¬ samste Baum in der Gegend, er wächst aus dem stei¬ nigsten Grunde empor, den es gibt. Siehe, darum ist sein Holz auch so fest wie Stein, darum ist sein Stamm so kurz, die Zweige stehen so dicht, und halten die Blätter fest, daß die Krone gleichsam eine Kugel bildet, durch die nicht ein einziges Äuglein des Himmels hindurch schauen kann. Wenn es Win¬ ter werden will, sehen die Leute auf diesen Baum und sagen: Wenn einmal die Herbstwinde durch das dürre Laub der Machtbuche sausen, und ihre Blätter auf dem Boden dahin treiben, dann kömmt bald der Winter. Und wirklich hüllen sich in kurzer Zeit die Hügel und Felder in die weiße Deke des Schnees. Merke dir den Baum, und denke in späten Jahren, wenn ich längst im Grabe liege, daß es dein Gro߬ vater gewesen ist, der ihn dir zuerst gezeigt hat."
Von dieser Buche gingen wir noch eine kleine
Stifter, Jugendschriften. I. 4
Ich ſah mir den Baum recht an, dann gingen wir weiter, und kamen nach einiger Zeit allmählich aus den Dürrſchnäbeln hinaus. Die Stämme wurden dünner, ſie wurden ſeltener, hörten endlich ganz auf, und wir gingen auf einem ſehr ſteinigen Wege zwiſchen Fel¬ dern, die jezt wieder erſchienen, hinauf. Hier zeigte mir der Großvater wieder einen Baum, und ſagte: „Siehe, das iſt die Machtbuche, das iſt der bedeut¬ ſamſte Baum in der Gegend, er wächſt aus dem ſtei¬ nigſten Grunde empor, den es gibt. Siehe, darum iſt ſein Holz auch ſo feſt wie Stein, darum iſt ſein Stamm ſo kurz, die Zweige ſtehen ſo dicht, und halten die Blätter feſt, daß die Krone gleichſam eine Kugel bildet, durch die nicht ein einziges Äuglein des Himmels hindurch ſchauen kann. Wenn es Win¬ ter werden will, ſehen die Leute auf dieſen Baum und ſagen: Wenn einmal die Herbſtwinde durch das dürre Laub der Machtbuche ſauſen, und ihre Blätter auf dem Boden dahin treiben, dann kömmt bald der Winter. Und wirklich hüllen ſich in kurzer Zeit die Hügel und Felder in die weiße Deke des Schnees. Merke dir den Baum, und denke in ſpäten Jahren, wenn ich längſt im Grabe liege, daß es dein Gro߬ vater geweſen iſt, der ihn dir zuerſt gezeigt hat.“
Von dieſer Buche gingen wir noch eine kleine
Stifter, Jugendſchriften. I. 4
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Ich ſah mir den Baum recht an, dann gingen wir
weiter, und kamen nach einiger Zeit allmählich aus den
Dürrſchnäbeln hinaus. Die Stämme wurden dünner,
ſie wurden ſeltener, hörten endlich ganz auf, und wir
gingen auf einem ſehr ſteinigen Wege zwiſchen Fel¬
dern, die jezt wieder erſchienen, hinauf. Hier zeigte
mir der Großvater wieder einen Baum, und ſagte:
„Siehe, das iſt die Machtbuche, das iſt der bedeut¬
ſamſte Baum in der Gegend, er wächſt aus dem ſtei¬
nigſten Grunde empor, den es gibt. Siehe, darum iſt
ſein Holz auch ſo feſt wie Stein, darum iſt ſein
Stamm ſo kurz, die Zweige ſtehen ſo dicht, und
halten die Blätter feſt, daß die Krone gleichſam eine
Kugel bildet, durch die nicht ein einziges Äuglein
des Himmels hindurch ſchauen kann. Wenn es Win¬
ter werden will, ſehen die Leute auf dieſen Baum und
ſagen: Wenn einmal die Herbſtwinde durch das dürre
Laub der Machtbuche ſauſen, und ihre Blätter auf
dem Boden dahin treiben, dann kömmt bald der
Winter. Und wirklich hüllen ſich in kurzer Zeit die
Hügel und Felder in die weiße Deke des Schnees.
Merke dir den Baum, und denke in ſpäten Jahren,
wenn ich längſt im Grabe liege, daß es dein Gro߬
vater geweſen iſt, der ihn dir zuerſt gezeigt hat.“
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/62>, abgerufen am 16.07.2024.
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