Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

manchmal, wenn ich schon lange schlief, oder in den
beginnenden Schlummer nur noch gebrochen die Töne
hinein hörte, saßen auch theils auf dem Steine theils
auf dem daneben befindlichen Holzbänkchen oder auf
der Lage von Baubrettern junge Bursche und Mädchen,
und sangen anmuthige Lieder in die finstere Nacht.

Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus
sah, war öfter auch ein Mann von seltsamer Art. Er
kam zuweilen auf der Hossenreuther Straße mit einem
glänzenden schwarzen Schubkarren herauf gefahren.
Auf dem Schubkarren hatte er ein glänzendes schwar¬
zes Fäßchen. Seine Kleider waren zwar vom Anfange
an nicht schwarz gewesen, allein sie waren mit der Zeit
sehr dunkel geworden, und glänzten ebenfalls. Wenn die
Sonne auf ihn schien, so sah er aus, als wäre er mit
Öhl eingeschmiert worden. Er hatte einen breiten Hut
auf dem Haupte, unter dem die langen Haare auf
den Naken hinabwallten. Er hatte ein braunes An¬
gesicht, freundliche Augen, und seine Haare hatten
bereits die gelblich weiße Farbe, die sie bei Leuten
unterer Stände, die hart arbeiten müssen, gerne be¬
kommen. In der Nähe der Häuser schrie er gewöhn¬
lich etwas, was ich nicht verstand. In Folge dieses
Schreiens kamen unsere Nachbarn aus ihren Häusern
heraus, hatten Gefäße in der Hand, die meistens

manchmal, wenn ich ſchon lange ſchlief, oder in den
beginnenden Schlummer nur noch gebrochen die Töne
hinein hörte, ſaßen auch theils auf dem Steine theils
auf dem daneben befindlichen Holzbänkchen oder auf
der Lage von Baubrettern junge Burſche und Mädchen,
und ſangen anmuthige Lieder in die finſtere Nacht.

Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus
ſah, war öfter auch ein Mann von ſeltſamer Art. Er
kam zuweilen auf der Hoſſenreuther Straße mit einem
glänzenden ſchwarzen Schubkarren herauf gefahren.
Auf dem Schubkarren hatte er ein glänzendes ſchwar¬
zes Fäßchen. Seine Kleider waren zwar vom Anfange
an nicht ſchwarz geweſen, allein ſie waren mit der Zeit
ſehr dunkel geworden, und glänzten ebenfalls. Wenn die
Sonne auf ihn ſchien, ſo ſah er aus, als wäre er mit
Öhl eingeſchmiert worden. Er hatte einen breiten Hut
auf dem Haupte, unter dem die langen Haare auf
den Naken hinabwallten. Er hatte ein braunes An¬
geſicht, freundliche Augen, und ſeine Haare hatten
bereits die gelblich weiße Farbe, die ſie bei Leuten
unterer Stände, die hart arbeiten müſſen, gerne be¬
kommen. In der Nähe der Häuſer ſchrie er gewöhn¬
lich etwas, was ich nicht verſtand. In Folge dieſes
Schreiens kamen unſere Nachbarn aus ihren Häuſern
heraus, hatten Gefäße in der Hand, die meiſtens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="21"/>
manchmal, wenn ich &#x017F;chon lange &#x017F;chlief, oder in den<lb/>
beginnenden Schlummer nur noch gebrochen die Töne<lb/>
hinein hörte, &#x017F;aßen auch theils auf dem Steine theils<lb/>
auf dem daneben befindlichen Holzbänkchen oder auf<lb/>
der Lage von Baubrettern junge Bur&#x017F;che und Mädchen,<lb/>
und &#x017F;angen anmuthige Lieder in die fin&#x017F;tere Nacht.</p><lb/>
          <p>Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus<lb/>
&#x017F;ah, war öfter auch ein Mann von &#x017F;elt&#x017F;amer Art. Er<lb/>
kam zuweilen auf der Ho&#x017F;&#x017F;enreuther Straße mit einem<lb/>
glänzenden &#x017F;chwarzen Schubkarren herauf gefahren.<lb/>
Auf dem Schubkarren hatte er ein glänzendes &#x017F;chwar¬<lb/>
zes Fäßchen. Seine Kleider waren zwar vom Anfange<lb/>
an nicht &#x017F;chwarz gewe&#x017F;en, allein &#x017F;ie waren mit der Zeit<lb/>
&#x017F;ehr dunkel geworden, und glänzten ebenfalls. Wenn die<lb/>
Sonne auf ihn &#x017F;chien, &#x017F;o &#x017F;ah er aus, als wäre er mit<lb/>
Öhl einge&#x017F;chmiert worden. Er hatte einen breiten Hut<lb/>
auf dem Haupte, unter dem die langen Haare auf<lb/>
den Naken hinabwallten. Er hatte ein braunes An¬<lb/>
ge&#x017F;icht, freundliche Augen, und &#x017F;eine Haare hatten<lb/>
bereits die gelblich weiße Farbe, die &#x017F;ie bei Leuten<lb/>
unterer Stände, die hart arbeiten mü&#x017F;&#x017F;en, gerne be¬<lb/>
kommen. In der Nähe der Häu&#x017F;er &#x017F;chrie er gewöhn¬<lb/>
lich etwas, was ich nicht ver&#x017F;tand. In Folge die&#x017F;es<lb/>
Schreiens kamen un&#x017F;ere Nachbarn aus ihren Häu&#x017F;ern<lb/>
heraus, hatten Gefäße in der Hand, die mei&#x017F;tens<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0034] manchmal, wenn ich ſchon lange ſchlief, oder in den beginnenden Schlummer nur noch gebrochen die Töne hinein hörte, ſaßen auch theils auf dem Steine theils auf dem daneben befindlichen Holzbänkchen oder auf der Lage von Baubrettern junge Burſche und Mädchen, und ſangen anmuthige Lieder in die finſtere Nacht. Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus ſah, war öfter auch ein Mann von ſeltſamer Art. Er kam zuweilen auf der Hoſſenreuther Straße mit einem glänzenden ſchwarzen Schubkarren herauf gefahren. Auf dem Schubkarren hatte er ein glänzendes ſchwar¬ zes Fäßchen. Seine Kleider waren zwar vom Anfange an nicht ſchwarz geweſen, allein ſie waren mit der Zeit ſehr dunkel geworden, und glänzten ebenfalls. Wenn die Sonne auf ihn ſchien, ſo ſah er aus, als wäre er mit Öhl eingeſchmiert worden. Er hatte einen breiten Hut auf dem Haupte, unter dem die langen Haare auf den Naken hinabwallten. Er hatte ein braunes An¬ geſicht, freundliche Augen, und ſeine Haare hatten bereits die gelblich weiße Farbe, die ſie bei Leuten unterer Stände, die hart arbeiten müſſen, gerne be¬ kommen. In der Nähe der Häuſer ſchrie er gewöhn¬ lich etwas, was ich nicht verſtand. In Folge dieſes Schreiens kamen unſere Nachbarn aus ihren Häuſern heraus, hatten Gefäße in der Hand, die meiſtens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/34
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/34>, abgerufen am 21.11.2024.