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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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mit tiefen Löchern von den herabfallenden Tropfen
versehen sind.

Eines der jüngsten Mitglieder unseres Hauses,
welche auf dem Steine gesessen waren, war in meiner
Knabenzeit ich. Ich saß gerne auf dem Steine, weil
man wenigstens dazumal eine große Umsicht von dem¬
selben hatte. Jezt ist sie etwas verbaut worden. Ich
saß gerne im ersten Frühlinge dort, wenn die milder
werdenden Sonnenstrahlen die erste Wärme an der
Wand des Hauses erzeugten. Ich sah auf die geaker¬
ten aber noch nicht bebauten Felder hinaus, ich sah
dort manchmal ein Glas wie einen weißen feurigen
Funken schimmern und glänzen, oder ich sah einen
Geier vorüber fliegen, oder ich sah auf den fernen
blaulichen Wald, der mit seinen Zaken an dem Him¬
mel dahin geht, an dem die Gewitter und Wolken¬
brüche hinabziehen, und der so hoch ist, daß ich
meinte, wenn man auf den höchsten Baum desselben
hinauf stiege, müßte man den Himmel angreifen
können. Zu andern Zeiten sah ich auf der Straße,
die nahe an dem Hause vorübergeht, bald einen
Erndtewagen bald eine Heerde bald einen Hausirer
vorüber ziehen.

Im Sommer saß gerne am Abende auch der Gro߬
vater auf dem Steine, und rauchte sein Pfeifchen, und

mit tiefen Löchern von den herabfallenden Tropfen
verſehen ſind.

Eines der jüngſten Mitglieder unſeres Hauſes,
welche auf dem Steine geſeſſen waren, war in meiner
Knabenzeit ich. Ich ſaß gerne auf dem Steine, weil
man wenigſtens dazumal eine große Umſicht von dem¬
ſelben hatte. Jezt iſt ſie etwas verbaut worden. Ich
ſaß gerne im erſten Frühlinge dort, wenn die milder
werdenden Sonnenſtrahlen die erſte Wärme an der
Wand des Hauſes erzeugten. Ich ſah auf die geaker¬
ten aber noch nicht bebauten Felder hinaus, ich ſah
dort manchmal ein Glas wie einen weißen feurigen
Funken ſchimmern und glänzen, oder ich ſah einen
Geier vorüber fliegen, oder ich ſah auf den fernen
blaulichen Wald, der mit ſeinen Zaken an dem Him¬
mel dahin geht, an dem die Gewitter und Wolken¬
brüche hinabziehen, und der ſo hoch iſt, daß ich
meinte, wenn man auf den höchſten Baum desſelben
hinauf ſtiege, müßte man den Himmel angreifen
können. Zu andern Zeiten ſah ich auf der Straße,
die nahe an dem Hauſe vorübergeht, bald einen
Erndtewagen bald eine Heerde bald einen Hauſirer
vorüber ziehen.

Im Sommer ſaß gerne am Abende auch der Gro߬
vater auf dem Steine, und rauchte ſein Pfeifchen, und

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[20/0033] mit tiefen Löchern von den herabfallenden Tropfen verſehen ſind. Eines der jüngſten Mitglieder unſeres Hauſes, welche auf dem Steine geſeſſen waren, war in meiner Knabenzeit ich. Ich ſaß gerne auf dem Steine, weil man wenigſtens dazumal eine große Umſicht von dem¬ ſelben hatte. Jezt iſt ſie etwas verbaut worden. Ich ſaß gerne im erſten Frühlinge dort, wenn die milder werdenden Sonnenſtrahlen die erſte Wärme an der Wand des Hauſes erzeugten. Ich ſah auf die geaker¬ ten aber noch nicht bebauten Felder hinaus, ich ſah dort manchmal ein Glas wie einen weißen feurigen Funken ſchimmern und glänzen, oder ich ſah einen Geier vorüber fliegen, oder ich ſah auf den fernen blaulichen Wald, der mit ſeinen Zaken an dem Him¬ mel dahin geht, an dem die Gewitter und Wolken¬ brüche hinabziehen, und der ſo hoch iſt, daß ich meinte, wenn man auf den höchſten Baum desſelben hinauf ſtiege, müßte man den Himmel angreifen können. Zu andern Zeiten ſah ich auf der Straße, die nahe an dem Hauſe vorübergeht, bald einen Erndtewagen bald eine Heerde bald einen Hauſirer vorüber ziehen. Im Sommer ſaß gerne am Abende auch der Gro߬ vater auf dem Steine, und rauchte ſein Pfeifchen, und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/33>, abgerufen am 29.03.2024.