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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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uns zu behalten, bis meinem Manne alle Papiere
und etwaigen anderen Dinge des Verstorbenen einge¬
händigt würden, woraus man dann die Verhältnisse
des Verstorbenen würde entnehmen und wissen können,
was mit dem Mädchen weiter zu geschehen hätte.

Sehr schwer war es, das Mädchen von dem un¬
terirdischen Gewölbe zu entwöhnen. Es hing mit
einer Hartnäkigkeit an dem Gemache, die unbegreif¬
lich war. Nur durch den öfteren Besuch der unterirdi¬
schen Wohnung, den ich mit ihm anstellte, durch
zutrauliches Reden über gleichgültige Dinge, und
endlich durch sorgfältige Pflege, die ihm wohlthat,
gewöhnte ich es nach und nach an sein neues Stüb¬
chen. Ich gab ihm gute Wäsche, und ließ ihm Kleider
von unseren Mägden verfertigen, die ihm gut standen,
in denen es sich wohl befand, und durch die es nicht
mehr so auffiel. Fast noch mehr als alles andere
scheute es die freie Luft, und wenn ich es ein wenig
in den winterlichen Garten hinunter brachte, benahm
es sich linkisch, und starrte die entlaubten Zweige an.
In den ersten Tagen kam niemand zu ihm als ich
und die ältliche Magd, nach und nach gewöhnte es
sich aber auch an den Anblik von andern aus unserer
Familie, und jedem Mitgliede derselben war einge¬
schärft, das Mädchen freundlich zu behandeln, und

uns zu behalten, bis meinem Manne alle Papiere
und etwaigen anderen Dinge des Verſtorbenen einge¬
händigt würden, woraus man dann die Verhältniſſe
des Verſtorbenen würde entnehmen und wiſſen können,
was mit dem Mädchen weiter zu geſchehen hätte.

Sehr ſchwer war es, das Mädchen von dem un¬
terirdiſchen Gewölbe zu entwöhnen. Es hing mit
einer Hartnäkigkeit an dem Gemache, die unbegreif¬
lich war. Nur durch den öfteren Beſuch der unterirdi¬
ſchen Wohnung, den ich mit ihm anſtellte, durch
zutrauliches Reden über gleichgültige Dinge, und
endlich durch ſorgfältige Pflege, die ihm wohlthat,
gewöhnte ich es nach und nach an ſein neues Stüb¬
chen. Ich gab ihm gute Wäſche, und ließ ihm Kleider
von unſeren Mägden verfertigen, die ihm gut ſtanden,
in denen es ſich wohl befand, und durch die es nicht
mehr ſo auffiel. Faſt noch mehr als alles andere
ſcheute es die freie Luft, und wenn ich es ein wenig
in den winterlichen Garten hinunter brachte, benahm
es ſich linkiſch, und ſtarrte die entlaubten Zweige an.
In den erſten Tagen kam niemand zu ihm als ich
und die ältliche Magd, nach und nach gewöhnte es
ſich aber auch an den Anblik von andern aus unſerer
Familie, und jedem Mitgliede derſelben war einge¬
ſchärft, das Mädchen freundlich zu behandeln, und

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[256/0269] uns zu behalten, bis meinem Manne alle Papiere und etwaigen anderen Dinge des Verſtorbenen einge¬ händigt würden, woraus man dann die Verhältniſſe des Verſtorbenen würde entnehmen und wiſſen können, was mit dem Mädchen weiter zu geſchehen hätte. Sehr ſchwer war es, das Mädchen von dem un¬ terirdiſchen Gewölbe zu entwöhnen. Es hing mit einer Hartnäkigkeit an dem Gemache, die unbegreif¬ lich war. Nur durch den öfteren Beſuch der unterirdi¬ ſchen Wohnung, den ich mit ihm anſtellte, durch zutrauliches Reden über gleichgültige Dinge, und endlich durch ſorgfältige Pflege, die ihm wohlthat, gewöhnte ich es nach und nach an ſein neues Stüb¬ chen. Ich gab ihm gute Wäſche, und ließ ihm Kleider von unſeren Mägden verfertigen, die ihm gut ſtanden, in denen es ſich wohl befand, und durch die es nicht mehr ſo auffiel. Faſt noch mehr als alles andere ſcheute es die freie Luft, und wenn ich es ein wenig in den winterlichen Garten hinunter brachte, benahm es ſich linkiſch, und ſtarrte die entlaubten Zweige an. In den erſten Tagen kam niemand zu ihm als ich und die ältliche Magd, nach und nach gewöhnte es ſich aber auch an den Anblik von andern aus unſerer Familie, und jedem Mitgliede derſelben war einge¬ ſchärft, das Mädchen freundlich zu behandeln, und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/269>, abgerufen am 24.11.2024.