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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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neue Stadt ist; denn die Häuser werden immer nach
neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬
baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die
Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als
daß sie der Stadt ein allgemeines Aussehen aufdrüken
könnten, und so sieht sie immer wie eine von gestern
aus. Das alte Perronsche Haus stand an der Haupt¬
straße der Vorstadt, in welcher wir wohnten, und war
nicht gar weit von unserer Wohnung entfernt. Es
hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen
jungen Bewohner der Hauptstadt nicht mehr kennen,
daß es unterirdische Wohnungen hatte. Die Fenster
solcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem
Pflaster der Straßen heraus. Sie waren nicht sehr
groß, hatten starke eiserne Stäbe, hinter denen sich
gewöhnlich noch ein dichtes eisernes Drahtgitter be¬
fand, das, wenn der Bewohner nicht besonders rein¬
lichkeitliebend war, mit dem hingeschleuderten und
getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen
traurigen Anblik gewährte. Das Perronsche Haus war
auch ohnedem schon ein sehr altes Haus, es sah
schwarz aus, und hatte Verzierungen aus sehr alten
Zeiten. Es ging nur mit seiner schmäleren Seite auf
die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen
einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,

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neue Stadt iſt; denn die Häuſer werden immer nach
neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬
baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die
Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als
daß ſie der Stadt ein allgemeines Ausſehen aufdrüken
könnten, und ſo ſieht ſie immer wie eine von geſtern
aus. Das alte Perronſche Haus ſtand an der Haupt¬
ſtraße der Vorſtadt, in welcher wir wohnten, und war
nicht gar weit von unſerer Wohnung entfernt. Es
hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen
jungen Bewohner der Hauptſtadt nicht mehr kennen,
daß es unterirdiſche Wohnungen hatte. Die Fenſter
ſolcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem
Pflaſter der Straßen heraus. Sie waren nicht ſehr
groß, hatten ſtarke eiſerne Stäbe, hinter denen ſich
gewöhnlich noch ein dichtes eiſernes Drahtgitter be¬
fand, das, wenn der Bewohner nicht beſonders rein¬
lichkeitliebend war, mit dem hingeſchleuderten und
getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen
traurigen Anblik gewährte. Das Perronſche Haus war
auch ohnedem ſchon ein ſehr altes Haus, es ſah
ſchwarz aus, und hatte Verzierungen aus ſehr alten
Zeiten. Es ging nur mit ſeiner ſchmäleren Seite auf
die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen
einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,

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[227/0240] neue Stadt iſt; denn die Häuſer werden immer nach neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬ baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als daß ſie der Stadt ein allgemeines Ausſehen aufdrüken könnten, und ſo ſieht ſie immer wie eine von geſtern aus. Das alte Perronſche Haus ſtand an der Haupt¬ ſtraße der Vorſtadt, in welcher wir wohnten, und war nicht gar weit von unſerer Wohnung entfernt. Es hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen jungen Bewohner der Hauptſtadt nicht mehr kennen, daß es unterirdiſche Wohnungen hatte. Die Fenſter ſolcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem Pflaſter der Straßen heraus. Sie waren nicht ſehr groß, hatten ſtarke eiſerne Stäbe, hinter denen ſich gewöhnlich noch ein dichtes eiſernes Drahtgitter be¬ fand, das, wenn der Bewohner nicht beſonders rein¬ lichkeitliebend war, mit dem hingeſchleuderten und getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen traurigen Anblik gewährte. Das Perronſche Haus war auch ohnedem ſchon ein ſehr altes Haus, es ſah ſchwarz aus, und hatte Verzierungen aus ſehr alten Zeiten. Es ging nur mit ſeiner ſchmäleren Seite auf die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein, 15*

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/240>, abgerufen am 30.04.2024.