ich bei einem Fenster unsers schönsten Zimmers gegen die Strasse hinaus sah, und ein Abwischtuch aus¬ schwang. Ich hatte aber außer dem Klingen des Glökleins auch noch einen andern Eindruk, der mich bewog, noch ein Weilchen an dem Fenster zu bleiben. Da ich nehmlich hinunter sah, was denn für Leute gingen, erblikte ich ein seltsames Paar. Ein Mann, nach dem Rüken zu schließen, den er mir zukehrte, schon ziemlich bejahrt, mit einem dünnen gelben Moll¬ donrökchen blaßblauen Beinkleidern großen Schuhen und einem kleinen runden Hütchen angethan, ging auf der Straße dahin; er führte ein Mädchen, das eben so seltsam gekleidet war, in einen braunen Überwurf, der ihr fast wie eine Toga um die Schultern lag. Das Mädchen hatte aber einen so großen Kopf, daß es zum Erschreken gereichte, und daß man immer nach demselben hin sah. Beide gingen mäßig schnell ihres Weges; aber beide so unbeholfen und ungeschikt, daß man sogleich sah, daß sie Wien nicht gewohnt seien, und daß sie sich nicht so zu bewegen verstünden wie die anderen Menschen. Aber bei aller Unbeholfenheit und Ungeschiklichkeit war der Mann doch noch beflis¬ sen, das Mädchen zu leiten, mit ihm den fahrenden Wägen auszuweichen, und es vor dem Zusammen¬ stoße mit Personen zu hüthen. Sie schlugen gerade
ich bei einem Fenſter unſers ſchönſten Zimmers gegen die Straſſe hinaus ſah, und ein Abwiſchtuch aus¬ ſchwang. Ich hatte aber außer dem Klingen des Glökleins auch noch einen andern Eindruk, der mich bewog, noch ein Weilchen an dem Fenſter zu bleiben. Da ich nehmlich hinunter ſah, was denn für Leute gingen, erblikte ich ein ſeltſames Paar. Ein Mann, nach dem Rüken zu ſchließen, den er mir zukehrte, ſchon ziemlich bejahrt, mit einem dünnen gelben Moll¬ donrökchen blaßblauen Beinkleidern großen Schuhen und einem kleinen runden Hütchen angethan, ging auf der Straße dahin; er führte ein Mädchen, das eben ſo ſeltſam gekleidet war, in einen braunen Überwurf, der ihr faſt wie eine Toga um die Schultern lag. Das Mädchen hatte aber einen ſo großen Kopf, daß es zum Erſchreken gereichte, und daß man immer nach demſelben hin ſah. Beide gingen mäßig ſchnell ihres Weges; aber beide ſo unbeholfen und ungeſchikt, daß man ſogleich ſah, daß ſie Wien nicht gewohnt ſeien, und daß ſie ſich nicht ſo zu bewegen verſtünden wie die anderen Menſchen. Aber bei aller Unbeholfenheit und Ungeſchiklichkeit war der Mann doch noch befliſ¬ ſen, das Mädchen zu leiten, mit ihm den fahrenden Wägen auszuweichen, und es vor dem Zuſammen¬ ſtoße mit Perſonen zu hüthen. Sie ſchlugen gerade
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ich bei einem Fenſter unſers ſchönſten Zimmers gegen
die Straſſe hinaus ſah, und ein Abwiſchtuch aus¬
ſchwang. Ich hatte aber außer dem Klingen des
Glökleins auch noch einen andern Eindruk, der mich
bewog, noch ein Weilchen an dem Fenſter zu bleiben.
Da ich nehmlich hinunter ſah, was denn für Leute
gingen, erblikte ich ein ſeltſames Paar. Ein Mann,
nach dem Rüken zu ſchließen, den er mir zukehrte,
ſchon ziemlich bejahrt, mit einem dünnen gelben Moll¬
donrökchen blaßblauen Beinkleidern großen Schuhen
und einem kleinen runden Hütchen angethan, ging auf
der Straße dahin; er führte ein Mädchen, das eben
ſo ſeltſam gekleidet war, in einen braunen Überwurf,
der ihr faſt wie eine Toga um die Schultern lag.
Das Mädchen hatte aber einen ſo großen Kopf, daß
es zum Erſchreken gereichte, und daß man immer nach
demſelben hin ſah. Beide gingen mäßig ſchnell ihres
Weges; aber beide ſo unbeholfen und ungeſchikt, daß
man ſogleich ſah, daß ſie Wien nicht gewohnt ſeien,
und daß ſie ſich nicht ſo zu bewegen verſtünden wie
die anderen Menſchen. Aber bei aller Unbeholfenheit
und Ungeſchiklichkeit war der Mann doch noch befliſ¬
ſen, das Mädchen zu leiten, mit ihm den fahrenden
Wägen auszuweichen, und es vor dem Zuſammen¬
ſtoße mit Perſonen zu hüthen. Sie ſchlugen gerade
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/234>, abgerufen am 25.11.2024.
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