stieg die vier Treppen empor, läutete an der Gloke des Eisengitters, ließ sich von der ältlichen Magd öff¬ nen, und ging durch das Vorzimmer in die Helden¬ stube des Rentherrn. Da saß er, und plauderte mit dem Rentherrn über die vielen verschiedenen Dinge, die dieser trieb. Ja vielleicht kam er gerade deßhalb so gerne in die Gesellschaft des Rentherrn, weil es da so Manigfaltiges gab. Besonders war es die Kunst, die Dall in allen ihren Gestalten ja selbst Abarten anzog. Darum wurden die Verse des Rentherrn be¬ sprochen, er mußte auf einer seiner zwei Geigen spie¬ len, er mußte auf der Flöte blasen, er mußte das eine oder das andere Musikstük auf dem Flügel vortragen, oder man saß an der Staffelei, und sprach über die Farben eines Bildes oder über die Linien einer Zeich¬ nung. Gerade in dem Lezteren war Dall am erfah¬ rensten, und war selber ein bedeutender Zeichner. Zu den Pappgestalten des Rentherrn gab er Länge und Breite er gab Beziehungen und Verhältnisse an.
In Bezug auf die an die Wände geklebten Bildniße berühmter Männer legte er sich auf das nie¬ derste Ruhebett, und musterte die untere Reihe durch. Der Rentherr mußte ihm bei jedem erzählen, was er von ihm wußte, und wenn beide nichts Ausreichendes von einem Manne sagen konnten, als daß er berühmt
ſtieg die vier Treppen empor, läutete an der Gloke des Eiſengitters, ließ ſich von der ältlichen Magd öff¬ nen, und ging durch das Vorzimmer in die Helden¬ ſtube des Rentherrn. Da ſaß er, und plauderte mit dem Rentherrn über die vielen verſchiedenen Dinge, die dieſer trieb. Ja vielleicht kam er gerade deßhalb ſo gerne in die Geſellſchaft des Rentherrn, weil es da ſo Manigfaltiges gab. Beſonders war es die Kunſt, die Dall in allen ihren Geſtalten ja ſelbſt Abarten anzog. Darum wurden die Verſe des Rentherrn be¬ ſprochen, er mußte auf einer ſeiner zwei Geigen ſpie¬ len, er mußte auf der Flöte blaſen, er mußte das eine oder das andere Muſikſtük auf dem Flügel vortragen, oder man ſaß an der Staffelei, und ſprach über die Farben eines Bildes oder über die Linien einer Zeich¬ nung. Gerade in dem Lezteren war Dall am erfah¬ renſten, und war ſelber ein bedeutender Zeichner. Zu den Pappgeſtalten des Rentherrn gab er Länge und Breite er gab Beziehungen und Verhältniſſe an.
In Bezug auf die an die Wände geklebten Bildniße berühmter Männer legte er ſich auf das nie¬ derſte Ruhebett, und muſterte die untere Reihe durch. Der Rentherr mußte ihm bei jedem erzählen, was er von ihm wußte, und wenn beide nichts Ausreichendes von einem Manne ſagen konnten, als daß er berühmt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0221"n="208"/>ſtieg die vier Treppen empor, läutete an der Gloke<lb/>
des Eiſengitters, ließ ſich von der ältlichen Magd öff¬<lb/>
nen, und ging durch das Vorzimmer in die Helden¬<lb/>ſtube des Rentherrn. Da ſaß er, und plauderte mit<lb/>
dem Rentherrn über die vielen verſchiedenen Dinge,<lb/>
die dieſer trieb. Ja vielleicht kam er gerade deßhalb ſo<lb/>
gerne in die Geſellſchaft des Rentherrn, weil es da ſo<lb/>
Manigfaltiges gab. Beſonders war es die Kunſt,<lb/>
die Dall in allen ihren Geſtalten ja ſelbſt Abarten<lb/>
anzog. Darum wurden die Verſe des Rentherrn be¬<lb/>ſprochen, er mußte auf einer ſeiner zwei Geigen ſpie¬<lb/>
len, er mußte auf der Flöte blaſen, er mußte das eine<lb/>
oder das andere Muſikſtük auf dem Flügel vortragen,<lb/>
oder man ſaß an der Staffelei, und ſprach über die<lb/>
Farben eines Bildes oder über die Linien einer Zeich¬<lb/>
nung. Gerade in dem Lezteren war Dall am erfah¬<lb/>
renſten, und war ſelber ein bedeutender Zeichner. Zu<lb/>
den Pappgeſtalten des Rentherrn gab er Länge und<lb/>
Breite er gab Beziehungen und Verhältniſſe an.</p><lb/><p>In Bezug auf die an die Wände geklebten<lb/>
Bildniße berühmter Männer legte er ſich auf das nie¬<lb/>
derſte Ruhebett, und muſterte die untere Reihe durch.<lb/>
Der Rentherr mußte ihm bei jedem erzählen, was er<lb/>
von ihm wußte, und wenn beide nichts Ausreichendes<lb/>
von einem Manne ſagen konnten, als daß er berühmt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0221]
ſtieg die vier Treppen empor, läutete an der Gloke
des Eiſengitters, ließ ſich von der ältlichen Magd öff¬
nen, und ging durch das Vorzimmer in die Helden¬
ſtube des Rentherrn. Da ſaß er, und plauderte mit
dem Rentherrn über die vielen verſchiedenen Dinge,
die dieſer trieb. Ja vielleicht kam er gerade deßhalb ſo
gerne in die Geſellſchaft des Rentherrn, weil es da ſo
Manigfaltiges gab. Beſonders war es die Kunſt,
die Dall in allen ihren Geſtalten ja ſelbſt Abarten
anzog. Darum wurden die Verſe des Rentherrn be¬
ſprochen, er mußte auf einer ſeiner zwei Geigen ſpie¬
len, er mußte auf der Flöte blaſen, er mußte das eine
oder das andere Muſikſtük auf dem Flügel vortragen,
oder man ſaß an der Staffelei, und ſprach über die
Farben eines Bildes oder über die Linien einer Zeich¬
nung. Gerade in dem Lezteren war Dall am erfah¬
renſten, und war ſelber ein bedeutender Zeichner. Zu
den Pappgeſtalten des Rentherrn gab er Länge und
Breite er gab Beziehungen und Verhältniſſe an.
In Bezug auf die an die Wände geklebten
Bildniße berühmter Männer legte er ſich auf das nie¬
derſte Ruhebett, und muſterte die untere Reihe durch.
Der Rentherr mußte ihm bei jedem erzählen, was er
von ihm wußte, und wenn beide nichts Ausreichendes
von einem Manne ſagen konnten, als daß er berühmt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/221>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.