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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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hatte wirken können. Diese Menschen bauten vergäng¬
liche Werke und waren nicht Künstler, während das
durch die wirkliche Macht der Kunst Geschaffene, weil
es die reine Blüthe der Menschheit ist, nach allen Zei¬
ten wirkt und entzückt, so lange die Menschen nicht ihr
Köstlichstes, die Menschheit, weggeworfen haben."

"Es ist einmal in der Stadt die Frage gestellt
worden," sagte ich, "ob ein Künstler, wenn er wüßte,
daß sein Werk, das er beabsichtigt, zwar ein unüber¬
troffenes Meisterwerk sein wird, daß es aber die Mit¬
welt nicht versteht, und daß es auch keine Nachwelt
verstehen wird, es doch schaffen müsse oder nicht.
Einige meinten, es sei groß, wenn er es thäte, er
thue es für sich, er sei seine Mit- und Nachwelt. An¬
dere sagten, wenn er etwas schaffe, von dem er wisse,
daß es die Mitwelt nicht verstehe, so sei er schon
thöricht, und vollends, wenn er es schaffe und weiß,
daß auch keine Nachwelt es begreifen wird."

"Dieser Fall wird wohl kaum sein," antwortete
mein Gastfreund, "der Künstler macht sein Werk, wie
die Blume blüht, sie blüht, wenn sie auch in der
Wüste ist, und nie ein Auge auf sie fällt. Der wahre
Künstler stellt sich die Frage gar nicht, ob sein Werk
verstanden werden wird oder nicht. Ihm ist klar und

hatte wirken können. Dieſe Menſchen bauten vergäng¬
liche Werke und waren nicht Künſtler, während das
durch die wirkliche Macht der Kunſt Geſchaffene, weil
es die reine Blüthe der Menſchheit iſt, nach allen Zei¬
ten wirkt und entzückt, ſo lange die Menſchen nicht ihr
Köſtlichſtes, die Menſchheit, weggeworfen haben.“

„Es iſt einmal in der Stadt die Frage geſtellt
worden,“ ſagte ich, „ob ein Künſtler, wenn er wüßte,
daß ſein Werk, das er beabſichtigt, zwar ein unüber¬
troffenes Meiſterwerk ſein wird, daß es aber die Mit¬
welt nicht verſteht, und daß es auch keine Nachwelt
verſtehen wird, es doch ſchaffen müſſe oder nicht.
Einige meinten, es ſei groß, wenn er es thäte, er
thue es für ſich, er ſei ſeine Mit- und Nachwelt. An¬
dere ſagten, wenn er etwas ſchaffe, von dem er wiſſe,
daß es die Mitwelt nicht verſtehe, ſo ſei er ſchon
thöricht, und vollends, wenn er es ſchaffe und weiß,
daß auch keine Nachwelt es begreifen wird.“

„Dieſer Fall wird wohl kaum ſein,“ antwortete
mein Gaſtfreund, „der Künſtler macht ſein Werk, wie
die Blume blüht, ſie blüht, wenn ſie auch in der
Wüſte iſt, und nie ein Auge auf ſie fällt. Der wahre
Künſtler ſtellt ſich die Frage gar nicht, ob ſein Werk
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[85/0099] hatte wirken können. Dieſe Menſchen bauten vergäng¬ liche Werke und waren nicht Künſtler, während das durch die wirkliche Macht der Kunſt Geſchaffene, weil es die reine Blüthe der Menſchheit iſt, nach allen Zei¬ ten wirkt und entzückt, ſo lange die Menſchen nicht ihr Köſtlichſtes, die Menſchheit, weggeworfen haben.“ „Es iſt einmal in der Stadt die Frage geſtellt worden,“ ſagte ich, „ob ein Künſtler, wenn er wüßte, daß ſein Werk, das er beabſichtigt, zwar ein unüber¬ troffenes Meiſterwerk ſein wird, daß es aber die Mit¬ welt nicht verſteht, und daß es auch keine Nachwelt verſtehen wird, es doch ſchaffen müſſe oder nicht. Einige meinten, es ſei groß, wenn er es thäte, er thue es für ſich, er ſei ſeine Mit- und Nachwelt. An¬ dere ſagten, wenn er etwas ſchaffe, von dem er wiſſe, daß es die Mitwelt nicht verſtehe, ſo ſei er ſchon thöricht, und vollends, wenn er es ſchaffe und weiß, daß auch keine Nachwelt es begreifen wird.“ „Dieſer Fall wird wohl kaum ſein,“ antwortete mein Gaſtfreund, „der Künſtler macht ſein Werk, wie die Blume blüht, ſie blüht, wenn ſie auch in der Wüſte iſt, und nie ein Auge auf ſie fällt. Der wahre Künſtler ſtellt ſich die Frage gar nicht, ob ſein Werk verſtanden werden wird oder nicht. Ihm iſt klar und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/99>, abgerufen am 22.11.2024.