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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat
herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬
steinen gleichsam übersät; aber sie war sehr blaß. Die
Edelsteine waren in mittelalterlicher Fassung, das sah
ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch
nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr
entgegen, und reichte ihr sanft die Hand zum Gruße.
Sie zitterte sehr.

Mein Gastfreund sagte zu meinen Eltern: "Das
Lieblingsgespräch eures Sohnes waren bisher seine
Eltern und seine Schwester, wer ein so guter Sohn
ist, wird auch ein guter Gatte werden."

"Die schöneren Eigenschaften, die eine Zukunft
gewähren," sagte mein Vater, "hat er von euch ge¬
bracht, wir haben es wohl gesehen, und haben ihn
darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und
veredelt."

"Ich muß antworten wie bei Natalien," erwie¬
derte mein Gastfreund, "sein Selbst hat sich entwickelt,
und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬
erst der eurige, hat geholfen."

Ich wollte etwas sprechen, konnte aber vor Be¬
wegung nicht.

tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat
herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬
ſteinen gleichſam überſät; aber ſie war ſehr blaß. Die
Edelſteine waren in mittelalterlicher Faſſung, das ſah
ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch
nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr
entgegen, und reichte ihr ſanft die Hand zum Gruße.
Sie zitterte ſehr.

Mein Gaſtfreund ſagte zu meinen Eltern: „Das
Lieblingsgeſpräch eures Sohnes waren bisher ſeine
Eltern und ſeine Schweſter, wer ein ſo guter Sohn
iſt, wird auch ein guter Gatte werden.“

„Die ſchöneren Eigenſchaften, die eine Zukunft
gewähren,“ ſagte mein Vater, „hat er von euch ge¬
bracht, wir haben es wohl geſehen, und haben ihn
darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und
veredelt.“

„Ich muß antworten wie bei Natalien,“ erwie¬
derte mein Gaſtfreund, „ſein Selbſt hat ſich entwickelt,
und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬
erſt der eurige, hat geholfen.“

Ich wollte etwas ſprechen, konnte aber vor Be¬
wegung nicht.

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[408/0422] tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬ ſteinen gleichſam überſät; aber ſie war ſehr blaß. Die Edelſteine waren in mittelalterlicher Faſſung, das ſah ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr entgegen, und reichte ihr ſanft die Hand zum Gruße. Sie zitterte ſehr. Mein Gaſtfreund ſagte zu meinen Eltern: „Das Lieblingsgeſpräch eures Sohnes waren bisher ſeine Eltern und ſeine Schweſter, wer ein ſo guter Sohn iſt, wird auch ein guter Gatte werden.“ „Die ſchöneren Eigenſchaften, die eine Zukunft gewähren,“ ſagte mein Vater, „hat er von euch ge¬ bracht, wir haben es wohl geſehen, und haben ihn darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und veredelt.“ „Ich muß antworten wie bei Natalien,“ erwie¬ derte mein Gaſtfreund, „ſein Selbſt hat ſich entwickelt, und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬ erſt der eurige, hat geholfen.“ Ich wollte etwas ſprechen, konnte aber vor Be¬ wegung nicht.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/422>, abgerufen am 22.05.2024.