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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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voll von Kristallen hängen, oder wenn sie bereift sind,
und ein feines Gitterwerk über ihren Stämmen und
Ästen tragen. Oft ist es sogar, als wenn sich auch
der Reif in der Luft befände, und sie mit ihm erfüllt
wäre. Ein feiner Duft schwebt in ihr, daß man die
nächsten Dinge nur wie in einen Rauch gehüllt sehen
kann. Ein anderes Mal ist der Himmel wieder so
klar, daß man alles deutlich erblickt. Er spannt
sich dunkelblau über die Gefilde, die in der Sonne
glänzen, und wenn wir auf die Höhe der Felder kom¬
men, können wir von ihr den ganzen Zug der Gebirge
sehen. Im Winter ist die Landschaft sehr still, weil
die Menschen sich in ihren Häusern halten, so
viel sie können, weil die Singvögel Abschied genom¬
men haben, weil das Wild in die tieferen Wälder
zurück gegangen ist, und weil selbst ein Gespann nicht
den tönenden Hufschlag und das Rollen der Räder
hören läßt, sondern nur der einfache Klang der
Pferdeglocke, die man hier hat, anzeigt, daß irgend
Wo jemand durch die Stille des Winters fährt.
Wir gehen auf der klaren Bahn dahin, die Mutter
leitet die Gespräche auf verschiedene Dinge, und das
Ziel unserer Wanderung ist gewöhnlich die Stelle,
wo der Weg in das Thal hinabzugehen anfängt. In

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voll von Kriſtallen hängen, oder wenn ſie bereift ſind,
und ein feines Gitterwerk über ihren Stämmen und
Äſten tragen. Oft iſt es ſogar, als wenn ſich auch
der Reif in der Luft befände, und ſie mit ihm erfüllt
wäre. Ein feiner Duft ſchwebt in ihr, daß man die
nächſten Dinge nur wie in einen Rauch gehüllt ſehen
kann. Ein anderes Mal iſt der Himmel wieder ſo
klar, daß man alles deutlich erblickt. Er ſpannt
ſich dunkelblau über die Gefilde, die in der Sonne
glänzen, und wenn wir auf die Höhe der Felder kom¬
men, können wir von ihr den ganzen Zug der Gebirge
ſehen. Im Winter iſt die Landſchaft ſehr ſtill, weil
die Menſchen ſich in ihren Häuſern halten, ſo
viel ſie können, weil die Singvögel Abſchied genom¬
men haben, weil das Wild in die tieferen Wälder
zurück gegangen iſt, und weil ſelbſt ein Geſpann nicht
den tönenden Hufſchlag und das Rollen der Räder
hören läßt, ſondern nur der einfache Klang der
Pferdeglocke, die man hier hat, anzeigt, daß irgend
Wo jemand durch die Stille des Winters fährt.
Wir gehen auf der klaren Bahn dahin, die Mutter
leitet die Geſpräche auf verſchiedene Dinge, und das
Ziel unſerer Wanderung iſt gewöhnlich die Stelle,
wo der Weg in das Thal hinabzugehen anfängt. In

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[19/0033] voll von Kriſtallen hängen, oder wenn ſie bereift ſind, und ein feines Gitterwerk über ihren Stämmen und Äſten tragen. Oft iſt es ſogar, als wenn ſich auch der Reif in der Luft befände, und ſie mit ihm erfüllt wäre. Ein feiner Duft ſchwebt in ihr, daß man die nächſten Dinge nur wie in einen Rauch gehüllt ſehen kann. Ein anderes Mal iſt der Himmel wieder ſo klar, daß man alles deutlich erblickt. Er ſpannt ſich dunkelblau über die Gefilde, die in der Sonne glänzen, und wenn wir auf die Höhe der Felder kom¬ men, können wir von ihr den ganzen Zug der Gebirge ſehen. Im Winter iſt die Landſchaft ſehr ſtill, weil die Menſchen ſich in ihren Häuſern halten, ſo viel ſie können, weil die Singvögel Abſchied genom¬ men haben, weil das Wild in die tieferen Wälder zurück gegangen iſt, und weil ſelbſt ein Geſpann nicht den tönenden Hufſchlag und das Rollen der Räder hören läßt, ſondern nur der einfache Klang der Pferdeglocke, die man hier hat, anzeigt, daß irgend Wo jemand durch die Stille des Winters fährt. Wir gehen auf der klaren Bahn dahin, die Mutter leitet die Geſpräche auf verſchiedene Dinge, und das Ziel unſerer Wanderung iſt gewöhnlich die Stelle, wo der Weg in das Thal hinabzugehen anfängt. In 2 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/33>, abgerufen am 23.04.2024.