"Dennoch war allgemach etwas da, das wie ein Übel in mein Glück bohrte. Es nagte der Gedanke an mir, daß wir die Eltern Mathildens täuschen. Sie ahnten nicht, was bestand, und wir sagten es ihnen nicht. Immer drückender wurde mir das Gefühl, und immer ängstender lastete es auf meiner Seele. Es war wie das Unheil der Alten, welches immer größer wird, wenn man es berührt."
"Eines Tages, da eben die Rosenblüthe war, sagte ich zu Mathilden, ich wolle zur Mutter gehen, ihr alles entdecken, und sie um ihr gütiges Vorwort bei dem Vater bitten. Mathilde antwortete, das werde gut sein, sie wünsche es, und unser Glück müsse da¬ durch sich erst recht klären und befestigen."
"Ich ging nun zur Mutter Mathildens, und sagte ihr alles mit schlichten Worten aber mit zagender Stimme."
""Ich habe das von euch nicht erwartet, und nicht geahnt,"" erwiederte sie, ""ich kann euch auch einen Bescheid nicht geben. Ich muß erst mit meinem Gat¬ ten sprechen. Kommt in einer Stunde in mein Zim¬ mer, und ich werde euch antworten.""
"Ich verbeugte mich, verließ ihr Gemach, und begab mich in mein Eckzimmer."
„Dennoch war allgemach etwas da, das wie ein Übel in mein Glück bohrte. Es nagte der Gedanke an mir, daß wir die Eltern Mathildens täuſchen. Sie ahnten nicht, was beſtand, und wir ſagten es ihnen nicht. Immer drückender wurde mir das Gefühl, und immer ängſtender laſtete es auf meiner Seele. Es war wie das Unheil der Alten, welches immer größer wird, wenn man es berührt.“
„Eines Tages, da eben die Roſenblüthe war, ſagte ich zu Mathilden, ich wolle zur Mutter gehen, ihr alles entdecken, und ſie um ihr gütiges Vorwort bei dem Vater bitten. Mathilde antwortete, das werde gut ſein, ſie wünſche es, und unſer Glück müſſe da¬ durch ſich erſt recht klären und befeſtigen.“
„Ich ging nun zur Mutter Mathildens, und ſagte ihr alles mit ſchlichten Worten aber mit zagender Stimme.“
„„Ich habe das von euch nicht erwartet, und nicht geahnt,““ erwiederte ſie, „„ich kann euch auch einen Beſcheid nicht geben. Ich muß erſt mit meinem Gat¬ ten ſprechen. Kommt in einer Stunde in mein Zim¬ mer, und ich werde euch antworten.““
„Ich verbeugte mich, verließ ihr Gemach, und begab mich in mein Eckzimmer.“
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„Dennoch war allgemach etwas da, das wie ein
Übel in mein Glück bohrte. Es nagte der Gedanke
an mir, daß wir die Eltern Mathildens täuſchen. Sie
ahnten nicht, was beſtand, und wir ſagten es ihnen
nicht. Immer drückender wurde mir das Gefühl, und
immer ängſtender laſtete es auf meiner Seele. Es
war wie das Unheil der Alten, welches immer größer
wird, wenn man es berührt.“
„Eines Tages, da eben die Roſenblüthe war,
ſagte ich zu Mathilden, ich wolle zur Mutter gehen,
ihr alles entdecken, und ſie um ihr gütiges Vorwort
bei dem Vater bitten. Mathilde antwortete, das werde
gut ſein, ſie wünſche es, und unſer Glück müſſe da¬
durch ſich erſt recht klären und befeſtigen.“
„Ich ging nun zur Mutter Mathildens, und ſagte
ihr alles mit ſchlichten Worten aber mit zagender
Stimme.“
„„Ich habe das von euch nicht erwartet, und nicht
geahnt,““ erwiederte ſie, „„ich kann euch auch einen
Beſcheid nicht geben. Ich muß erſt mit meinem Gat¬
ten ſprechen. Kommt in einer Stunde in mein Zim¬
mer, und ich werde euch antworten.““
„Ich verbeugte mich, verließ ihr Gemach, und
begab mich in mein Eckzimmer.“
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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