sprechen; aber wenn sie mir auf dem Gange begeg¬ nete, wenn sie mir in dem Zimmer der Mutter einige Worte sagen konnte, wenn in der Menge das Geschick uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein anderer günstiger Augenblick gegeben war: dann sag¬ ten mir ihre schönen Augen, dann sagten einige Worte, wie sehr wir uns liebten, wie unveränderlich diese Liebe sei, und wie unbegrenzt unsere Seelen einander beherrschten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf sie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬ huldigt wurde, wenn man sie in einer Familie feierte: so war sie ganz ruhig gegen diese Dinge, sezte ihnen gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelschönes Wesen sagte mir, es sagte es nur von mir verstanden, daß sie mit ihrer wundervollen Gestalt mit der Wärme ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬ gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hause kam, in welche wir wohnten, blieb ich stehen, und betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es war gefeit worden vor den Häusern der Stadt, und mit Rührung sah ich auf die Mauern, innerhalb
ſprechen; aber wenn ſie mir auf dem Gange begeg¬ nete, wenn ſie mir in dem Zimmer der Mutter einige Worte ſagen konnte, wenn in der Menge das Geſchick uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein anderer günſtiger Augenblick gegeben war: dann ſag¬ ten mir ihre ſchönen Augen, dann ſagten einige Worte, wie ſehr wir uns liebten, wie unveränderlich dieſe Liebe ſei, und wie unbegrenzt unſere Seelen einander beherrſchten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf ſie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬ huldigt wurde, wenn man ſie in einer Familie feierte: ſo war ſie ganz ruhig gegen dieſe Dinge, ſezte ihnen gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelſchönes Weſen ſagte mir, es ſagte es nur von mir verſtanden, daß ſie mit ihrer wundervollen Geſtalt mit der Wärme ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬ gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hauſe kam, in welche wir wohnten, blieb ich ſtehen, und betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es war gefeit worden vor den Häuſern der Stadt, und mit Rührung ſah ich auf die Mauern, innerhalb
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0315"n="301"/>ſprechen; aber wenn ſie mir auf dem Gange begeg¬<lb/>
nete, wenn ſie mir in dem Zimmer der Mutter einige<lb/>
Worte ſagen konnte, wenn in der Menge das Geſchick<lb/>
uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein<lb/>
anderer günſtiger Augenblick gegeben war: dann ſag¬<lb/>
ten mir ihre ſchönen Augen, dann ſagten einige Worte,<lb/>
wie ſehr wir uns liebten, wie unveränderlich dieſe<lb/>
Liebe ſei, und wie unbegrenzt unſere Seelen einander<lb/>
beherrſchten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten<lb/>
bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf<lb/>ſie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬<lb/>
huldigt wurde, wenn man ſie in einer Familie feierte:<lb/>ſo war ſie ganz ruhig gegen dieſe Dinge, ſezte ihnen<lb/>
gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelſchönes<lb/>
Weſen ſagte mir, es ſagte es nur von mir verſtanden,<lb/>
daß ſie mit ihrer wundervollen Geſtalt mit der Wärme<lb/>
ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur<lb/>
mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich<lb/>
beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬<lb/>
gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hauſe<lb/>
kam, in welche wir wohnten, blieb ich ſtehen, und<lb/>
betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es<lb/>
war gefeit worden vor den Häuſern der Stadt,<lb/>
und mit Rührung ſah ich auf die Mauern, innerhalb<lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0315]
ſprechen; aber wenn ſie mir auf dem Gange begeg¬
nete, wenn ſie mir in dem Zimmer der Mutter einige
Worte ſagen konnte, wenn in der Menge das Geſchick
uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein
anderer günſtiger Augenblick gegeben war: dann ſag¬
ten mir ihre ſchönen Augen, dann ſagten einige Worte,
wie ſehr wir uns liebten, wie unveränderlich dieſe
Liebe ſei, und wie unbegrenzt unſere Seelen einander
beherrſchten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten
bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf
ſie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬
huldigt wurde, wenn man ſie in einer Familie feierte:
ſo war ſie ganz ruhig gegen dieſe Dinge, ſezte ihnen
gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelſchönes
Weſen ſagte mir, es ſagte es nur von mir verſtanden,
daß ſie mit ihrer wundervollen Geſtalt mit der Wärme
ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur
mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich
beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬
gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hauſe
kam, in welche wir wohnten, blieb ich ſtehen, und
betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es
war gefeit worden vor den Häuſern der Stadt,
und mit Rührung ſah ich auf die Mauern, innerhalb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/315>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.