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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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ich gehörte, und sezte mich auf einen der mittleren
Pläze. Die Lehrstunde begann, und ging vorüber,
so wie nun viele nach und nach begannen, und vor¬
über gingen. Sie und die ganze Stadt hatten noch
immer etwas Ungewöhnliches für mich. Das Liebste
war mir, in meinem Stübchen zu sizen, an meine Ver¬
gangenheit zu denken, und sehr lange Briefe an meine
Mutter zu schreiben."

"Als einige Zeit verflossen war, wuchs mir Muth
und Kraft im Herzen. Unser Lehrer ein würdiger
Rath in der Rechtsversammlung der Schule lehrte
fragend. Ich schrieb getreulich seine Lehren in meine
Hefte. Als schon eine große Zahl meiner Mitschüler
gefragt worden war, als endlich die Reihe auch mich
getroffen hatte, erkannte ich, daß ich vielen, die mich
an Kleidern und äußerem Benehmen übertrafen, in
unserem Lehrfache nicht nachstehe, sondern einer gro¬
ßen Zahl vor sei. Dies lehrte mich nach und nach
die mir bisher fremd gebliebenen Verhältnisse der
Stadt würdigen, und sie wurden mir immer mehr
und mehr vertraut. Einige Schüler hatte ich schon
früher gekannt, da sie vor mir von der nehmlichen
Lehranstalt, in der ich bisher gewesen war, hieher
übergetreten waren; andere lernte ich noch kennen.

ich gehörte, und ſezte mich auf einen der mittleren
Pläze. Die Lehrſtunde begann, und ging vorüber,
ſo wie nun viele nach und nach begannen, und vor¬
über gingen. Sie und die ganze Stadt hatten noch
immer etwas Ungewöhnliches für mich. Das Liebſte
war mir, in meinem Stübchen zu ſizen, an meine Ver¬
gangenheit zu denken, und ſehr lange Briefe an meine
Mutter zu ſchreiben.“

„Als einige Zeit verfloſſen war, wuchs mir Muth
und Kraft im Herzen. Unſer Lehrer ein würdiger
Rath in der Rechtsverſammlung der Schule lehrte
fragend. Ich ſchrieb getreulich ſeine Lehren in meine
Hefte. Als ſchon eine große Zahl meiner Mitſchüler
gefragt worden war, als endlich die Reihe auch mich
getroffen hatte, erkannte ich, daß ich vielen, die mich
an Kleidern und äußerem Benehmen übertrafen, in
unſerem Lehrfache nicht nachſtehe, ſondern einer gro¬
ßen Zahl vor ſei. Dies lehrte mich nach und nach
die mir bisher fremd gebliebenen Verhältniſſe der
Stadt würdigen, und ſie wurden mir immer mehr
und mehr vertraut. Einige Schüler hatte ich ſchon
früher gekannt, da ſie vor mir von der nehmlichen
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[240/0254] ich gehörte, und ſezte mich auf einen der mittleren Pläze. Die Lehrſtunde begann, und ging vorüber, ſo wie nun viele nach und nach begannen, und vor¬ über gingen. Sie und die ganze Stadt hatten noch immer etwas Ungewöhnliches für mich. Das Liebſte war mir, in meinem Stübchen zu ſizen, an meine Ver¬ gangenheit zu denken, und ſehr lange Briefe an meine Mutter zu ſchreiben.“ „Als einige Zeit verfloſſen war, wuchs mir Muth und Kraft im Herzen. Unſer Lehrer ein würdiger Rath in der Rechtsverſammlung der Schule lehrte fragend. Ich ſchrieb getreulich ſeine Lehren in meine Hefte. Als ſchon eine große Zahl meiner Mitſchüler gefragt worden war, als endlich die Reihe auch mich getroffen hatte, erkannte ich, daß ich vielen, die mich an Kleidern und äußerem Benehmen übertrafen, in unſerem Lehrfache nicht nachſtehe, ſondern einer gro¬ ßen Zahl vor ſei. Dies lehrte mich nach und nach die mir bisher fremd gebliebenen Verhältniſſe der Stadt würdigen, und ſie wurden mir immer mehr und mehr vertraut. Einige Schüler hatte ich ſchon früher gekannt, da ſie vor mir von der nehmlichen Lehranſtalt, in der ich bisher geweſen war, hieher übergetreten waren; andere lernte ich noch kennen.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/254>, abgerufen am 20.05.2024.