könnte nicht anders als widrig wirken, sie würde nur wie roher Prunk aussehen, und von einer Kirche aus Papier, gesezt man könnte den Wänden auf die Dauer Widerstand gegen Wetter und den Verzierungen durch Pressen oder dergleichen die schönsten Gestalten geben, wendet sich das Herz mit Widerwillen und Verach¬ tung ab. Mit dem Stoffe hängt die Gestaltung zu¬ sammen. Der Stein ist ernst, er strebt auf und läßt sich nicht in die weichsten feinsten und gewundensten Erscheinungen biegen. Ich rede von dem Bausteine nicht von dem Marmor. Daher hat man die Gestalten der Kirche aus ihm emporstrebend einfach und stark gemacht, und wo Biegungen vorkommen, sind sie mit Maß und mit einem gewissen Adel ausgeführt, und überladen nicht die Wände und die andern Bildun¬ gen. In der Zeit, als sie das Übergewicht zu bekom¬ men anfingen, hörte auch die strenge Schönheit der Kirchen auf, und die Niedlichkeit begann. Zu den Fassungen unseres Schmuckes nehmen wir Metall und zwar meistens Gold. Das Metall aber hat we¬ sentlich andere Merkmale als der Stein. Es ist schwe¬ rer; darf also, ohne uns zu drücken, nicht in größeren Stücken angewendet werden, sondern muß in zarte Gestaltungen auseinander laufen. Dabei hat es
könnte nicht anders als widrig wirken, ſie würde nur wie roher Prunk ausſehen, und von einer Kirche aus Papier, geſezt man könnte den Wänden auf die Dauer Widerſtand gegen Wetter und den Verzierungen durch Preſſen oder dergleichen die ſchönſten Geſtalten geben, wendet ſich das Herz mit Widerwillen und Verach¬ tung ab. Mit dem Stoffe hängt die Geſtaltung zu¬ ſammen. Der Stein iſt ernſt, er ſtrebt auf und läßt ſich nicht in die weichſten feinſten und gewundenſten Erſcheinungen biegen. Ich rede von dem Bauſteine nicht von dem Marmor. Daher hat man die Geſtalten der Kirche aus ihm emporſtrebend einfach und ſtark gemacht, und wo Biegungen vorkommen, ſind ſie mit Maß und mit einem gewiſſen Adel ausgeführt, und überladen nicht die Wände und die andern Bildun¬ gen. In der Zeit, als ſie das Übergewicht zu bekom¬ men anfingen, hörte auch die ſtrenge Schönheit der Kirchen auf, und die Niedlichkeit begann. Zu den Faſſungen unſeres Schmuckes nehmen wir Metall und zwar meiſtens Gold. Das Metall aber hat we¬ ſentlich andere Merkmale als der Stein. Es iſt ſchwe¬ rer; darf alſo, ohne uns zu drücken, nicht in größeren Stücken angewendet werden, ſondern muß in zarte Geſtaltungen auseinander laufen. Dabei hat es
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="95"/>
könnte nicht anders als widrig wirken, ſie würde nur<lb/>
wie roher Prunk ausſehen, und von einer Kirche aus<lb/>
Papier, geſezt man könnte den Wänden auf die Dauer<lb/>
Widerſtand gegen Wetter und den Verzierungen durch<lb/>
Preſſen oder dergleichen die ſchönſten Geſtalten geben,<lb/>
wendet ſich das Herz mit Widerwillen und Verach¬<lb/>
tung ab. Mit dem Stoffe hängt die Geſtaltung zu¬<lb/>ſammen. Der Stein iſt ernſt, er ſtrebt auf und läßt<lb/>ſich nicht in die weichſten feinſten und gewundenſten<lb/>
Erſcheinungen biegen. Ich rede von dem Bauſteine<lb/>
nicht von dem Marmor. Daher hat man die Geſtalten<lb/>
der Kirche aus ihm emporſtrebend einfach und ſtark<lb/>
gemacht, und wo Biegungen vorkommen, ſind ſie mit<lb/>
Maß und mit einem gewiſſen Adel ausgeführt, und<lb/>
überladen nicht die Wände und die andern Bildun¬<lb/>
gen. In der Zeit, als ſie das Übergewicht zu bekom¬<lb/>
men anfingen, hörte auch die ſtrenge Schönheit der<lb/>
Kirchen auf, und die Niedlichkeit begann. Zu den<lb/>
Faſſungen unſeres Schmuckes nehmen wir Metall<lb/>
und zwar meiſtens Gold. Das Metall aber hat we¬<lb/>ſentlich andere Merkmale als der Stein. Es iſt ſchwe¬<lb/>
rer; darf alſo, ohne uns zu drücken, nicht in größeren<lb/>
Stücken angewendet werden, ſondern muß in zarte<lb/>
Geſtaltungen auseinander laufen. Dabei hat es<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0109]
könnte nicht anders als widrig wirken, ſie würde nur
wie roher Prunk ausſehen, und von einer Kirche aus
Papier, geſezt man könnte den Wänden auf die Dauer
Widerſtand gegen Wetter und den Verzierungen durch
Preſſen oder dergleichen die ſchönſten Geſtalten geben,
wendet ſich das Herz mit Widerwillen und Verach¬
tung ab. Mit dem Stoffe hängt die Geſtaltung zu¬
ſammen. Der Stein iſt ernſt, er ſtrebt auf und läßt
ſich nicht in die weichſten feinſten und gewundenſten
Erſcheinungen biegen. Ich rede von dem Bauſteine
nicht von dem Marmor. Daher hat man die Geſtalten
der Kirche aus ihm emporſtrebend einfach und ſtark
gemacht, und wo Biegungen vorkommen, ſind ſie mit
Maß und mit einem gewiſſen Adel ausgeführt, und
überladen nicht die Wände und die andern Bildun¬
gen. In der Zeit, als ſie das Übergewicht zu bekom¬
men anfingen, hörte auch die ſtrenge Schönheit der
Kirchen auf, und die Niedlichkeit begann. Zu den
Faſſungen unſeres Schmuckes nehmen wir Metall
und zwar meiſtens Gold. Das Metall aber hat we¬
ſentlich andere Merkmale als der Stein. Es iſt ſchwe¬
rer; darf alſo, ohne uns zu drücken, nicht in größeren
Stücken angewendet werden, ſondern muß in zarte
Geſtaltungen auseinander laufen. Dabei hat es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/109>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.