Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

gehört auch jene rührende Erscheinung, die von man¬
chen Menschen so bitter getadelt wird, daß einer, dem
recht leicht gangbare Wege zur Verfügung ständen, sich
reichlich und angenehm zu nähren, ja zu Wohlstand zu
gelangen, lieber in Armuth Noth Entbehrung Hunger
und Elend lebt, und immer Kunstbestrebungen macht,
die ihm keinen äußeren Erfolg bringen, und oft auch
wirklich kein Erzeugniß von nur einigem Kunstwerthe
sind. Er stirbt dann im Armenhause oder als Bettler
oder in einem Hause, wo er aus Gnaden gehalten
wurde."

Wir waren unseres Freundes Meinung. Eustach
ohnehin schon, weil er die Kunstdinge als das Höchste
des irdischen Lebens ansah, und ein Kunststreben als
blosses Bestreben schon für hoch hielt, wie er auch zu
sagen pflegte, das Gute sei gut, weil es gut sei. Ich
stimmte bei, weil mich das, was mein Gastfreund
sagte, überzeugte, und Gustav mochte es geglaubt
haben -- Erfahrungen hatte er nicht -- weil ihm alles
Wahrheit war, was sein Pflegevater sagte.

Von einem Streben, das gewissermaßen sein eige¬
ner Zweck sei, vom Vertiefen der Menschen in einen
Gegenstand, dem scheinbar kein äußerer Erfolg ent¬
spricht, und dem der damit Behaftete doch alles An¬

gehört auch jene rührende Erſcheinung, die von man¬
chen Menſchen ſo bitter getadelt wird, daß einer, dem
recht leicht gangbare Wege zur Verfügung ſtänden, ſich
reichlich und angenehm zu nähren, ja zu Wohlſtand zu
gelangen, lieber in Armuth Noth Entbehrung Hunger
und Elend lebt, und immer Kunſtbeſtrebungen macht,
die ihm keinen äußeren Erfolg bringen, und oft auch
wirklich kein Erzeugniß von nur einigem Kunſtwerthe
ſind. Er ſtirbt dann im Armenhauſe oder als Bettler
oder in einem Hauſe, wo er aus Gnaden gehalten
wurde.“

Wir waren unſeres Freundes Meinung. Euſtach
ohnehin ſchon, weil er die Kunſtdinge als das Höchſte
des irdiſchen Lebens anſah, und ein Kunſtſtreben als
bloſſes Beſtreben ſchon für hoch hielt, wie er auch zu
ſagen pflegte, das Gute ſei gut, weil es gut ſei. Ich
ſtimmte bei, weil mich das, was mein Gaſtfreund
ſagte, überzeugte, und Guſtav mochte es geglaubt
haben — Erfahrungen hatte er nicht — weil ihm alles
Wahrheit war, was ſein Pflegevater ſagte.

Von einem Streben, das gewiſſermaßen ſein eige¬
ner Zweck ſei, vom Vertiefen der Menſchen in einen
Gegenſtand, dem ſcheinbar kein äußerer Erfolg ent¬
ſpricht, und dem der damit Behaftete doch alles An¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="87"/>
gehört auch jene rührende Er&#x017F;cheinung, die von man¬<lb/>
chen Men&#x017F;chen &#x017F;o bitter getadelt wird, daß einer, dem<lb/>
recht leicht gangbare Wege zur Verfügung &#x017F;tänden, &#x017F;ich<lb/>
reichlich und angenehm zu nähren, ja zu Wohl&#x017F;tand zu<lb/>
gelangen, lieber in Armuth Noth Entbehrung Hunger<lb/>
und Elend lebt, und immer Kun&#x017F;tbe&#x017F;trebungen macht,<lb/>
die ihm keinen äußeren Erfolg bringen, und oft auch<lb/>
wirklich kein Erzeugniß von nur einigem Kun&#x017F;twerthe<lb/>
&#x017F;ind. Er &#x017F;tirbt dann im Armenhau&#x017F;e oder als Bettler<lb/>
oder in einem Hau&#x017F;e, wo er aus Gnaden gehalten<lb/>
wurde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir waren un&#x017F;eres Freundes Meinung. Eu&#x017F;tach<lb/>
ohnehin &#x017F;chon, weil er die Kun&#x017F;tdinge als das Höch&#x017F;te<lb/>
des irdi&#x017F;chen Lebens an&#x017F;ah, und ein Kun&#x017F;t&#x017F;treben als<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;es Be&#x017F;treben &#x017F;chon für hoch hielt, wie er auch zu<lb/>
&#x017F;agen pflegte, das Gute &#x017F;ei gut, weil es gut &#x017F;ei. Ich<lb/>
&#x017F;timmte bei, weil mich das, was mein Ga&#x017F;tfreund<lb/>
&#x017F;agte, überzeugte, und Gu&#x017F;tav mochte es geglaubt<lb/>
haben &#x2014; Erfahrungen hatte er nicht &#x2014; weil ihm alles<lb/>
Wahrheit war, was &#x017F;ein Pflegevater &#x017F;agte.</p><lb/>
        <p>Von einem Streben, das gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen &#x017F;ein eige¬<lb/>
ner Zweck &#x017F;ei, vom Vertiefen der Men&#x017F;chen in einen<lb/>
Gegen&#x017F;tand, dem &#x017F;cheinbar kein äußerer Erfolg ent¬<lb/>
&#x017F;pricht, und dem der damit Behaftete doch alles An¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0101] gehört auch jene rührende Erſcheinung, die von man¬ chen Menſchen ſo bitter getadelt wird, daß einer, dem recht leicht gangbare Wege zur Verfügung ſtänden, ſich reichlich und angenehm zu nähren, ja zu Wohlſtand zu gelangen, lieber in Armuth Noth Entbehrung Hunger und Elend lebt, und immer Kunſtbeſtrebungen macht, die ihm keinen äußeren Erfolg bringen, und oft auch wirklich kein Erzeugniß von nur einigem Kunſtwerthe ſind. Er ſtirbt dann im Armenhauſe oder als Bettler oder in einem Hauſe, wo er aus Gnaden gehalten wurde.“ Wir waren unſeres Freundes Meinung. Euſtach ohnehin ſchon, weil er die Kunſtdinge als das Höchſte des irdiſchen Lebens anſah, und ein Kunſtſtreben als bloſſes Beſtreben ſchon für hoch hielt, wie er auch zu ſagen pflegte, das Gute ſei gut, weil es gut ſei. Ich ſtimmte bei, weil mich das, was mein Gaſtfreund ſagte, überzeugte, und Guſtav mochte es geglaubt haben — Erfahrungen hatte er nicht — weil ihm alles Wahrheit war, was ſein Pflegevater ſagte. Von einem Streben, das gewiſſermaßen ſein eige¬ ner Zweck ſei, vom Vertiefen der Menſchen in einen Gegenſtand, dem ſcheinbar kein äußerer Erfolg ent¬ ſpricht, und dem der damit Behaftete doch alles An¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/101
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/101>, abgerufen am 22.11.2024.