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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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sein gleichwie in der Dichtkunst, weil manche Weis¬
heitslehre wie Dichtkunst zusammen gestellt ist, und
wirkt: aber in den Werken der eigentlichen Dicht¬
kunst versteckt es sich vor dem blühenden Gemüthe des
Jünglings, dieser breitet seine Blüthen und seine
Begierden darüber, und saugt das Gift in sich. Ein
klarer Verstand, der sich von Kindheit an eben zur
Klarheit hingeübt hat, und ein gutes reines Herz sind
Schuzwehren vor Schlechtigkeit und Sittenlosigkeit
von Dichtungen, weil der klare Verstand den hohlen
Schwulst von sich abweist, und das reine Herz die
Unsittlichkeit ablehnt. Aber beides geschieht nur gegen
die Entschiedenheit des Schlechten. Wo es in Reize
verhüllt ist und mit Reinem gemischt, dort ist es am
bedenklichsten, und da müssen Rathgeber und väter¬
liche Freunde zu Hilfe stehen, daß sie theils aufklären
theils von vornherein die Annäherung des Übels
aufhalten. Gegen die Schlechtigkeit in der Darstel¬
lung oder gegen die lange Weile braucht man kein
Mittel als sie selber. Ihr seid zwar noch jung; aber
ihr seid nicht so jung zu dem Lesen von Dichtern ge¬
kommen, wie die meisten unserer Jünglinge, und ihr habt
so viel in Wissenschaften gelernt, daß ich glaube, daß
man euch alle Dichter in die Hände geben kann, ohne

ſein gleichwie in der Dichtkunſt, weil manche Weis¬
heitslehre wie Dichtkunſt zuſammen geſtellt iſt, und
wirkt: aber in den Werken der eigentlichen Dicht¬
kunſt verſteckt es ſich vor dem blühenden Gemüthe des
Jünglings, dieſer breitet ſeine Blüthen und ſeine
Begierden darüber, und ſaugt das Gift in ſich. Ein
klarer Verſtand, der ſich von Kindheit an eben zur
Klarheit hingeübt hat, und ein gutes reines Herz ſind
Schuzwehren vor Schlechtigkeit und Sittenloſigkeit
von Dichtungen, weil der klare Verſtand den hohlen
Schwulſt von ſich abweiſt, und das reine Herz die
Unſittlichkeit ablehnt. Aber beides geſchieht nur gegen
die Entſchiedenheit des Schlechten. Wo es in Reize
verhüllt iſt und mit Reinem gemiſcht, dort iſt es am
bedenklichſten, und da müſſen Rathgeber und väter¬
liche Freunde zu Hilfe ſtehen, daß ſie theils aufklären
theils von vornherein die Annäherung des Übels
aufhalten. Gegen die Schlechtigkeit in der Darſtel¬
lung oder gegen die lange Weile braucht man kein
Mittel als ſie ſelber. Ihr ſeid zwar noch jung; aber
ihr ſeid nicht ſo jung zu dem Leſen von Dichtern ge¬
kommen, wie die meiſten unſerer Jünglinge, und ihr habt
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[54/0068] ſein gleichwie in der Dichtkunſt, weil manche Weis¬ heitslehre wie Dichtkunſt zuſammen geſtellt iſt, und wirkt: aber in den Werken der eigentlichen Dicht¬ kunſt verſteckt es ſich vor dem blühenden Gemüthe des Jünglings, dieſer breitet ſeine Blüthen und ſeine Begierden darüber, und ſaugt das Gift in ſich. Ein klarer Verſtand, der ſich von Kindheit an eben zur Klarheit hingeübt hat, und ein gutes reines Herz ſind Schuzwehren vor Schlechtigkeit und Sittenloſigkeit von Dichtungen, weil der klare Verſtand den hohlen Schwulſt von ſich abweiſt, und das reine Herz die Unſittlichkeit ablehnt. Aber beides geſchieht nur gegen die Entſchiedenheit des Schlechten. Wo es in Reize verhüllt iſt und mit Reinem gemiſcht, dort iſt es am bedenklichſten, und da müſſen Rathgeber und väter¬ liche Freunde zu Hilfe ſtehen, daß ſie theils aufklären theils von vornherein die Annäherung des Übels aufhalten. Gegen die Schlechtigkeit in der Darſtel¬ lung oder gegen die lange Weile braucht man kein Mittel als ſie ſelber. Ihr ſeid zwar noch jung; aber ihr ſeid nicht ſo jung zu dem Leſen von Dichtern ge¬ kommen, wie die meiſten unſerer Jünglinge, und ihr habt ſo viel in Wiſſenſchaften gelernt, daß ich glaube, daß man euch alle Dichter in die Hände geben kann, ohne

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/68>, abgerufen am 22.11.2024.