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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Maßstab gewinne, nicht aber, daß man dadurch künst¬
lerische Aufnahmen von Landschaften mache, weil durch
einen solchen Vorgang die künstlerische Freiheit und
Leichtigkeit verloren würde, welche in Bezug auf Dar¬
stellung das Wesen und das Herz der Kunst sei. Das
Auge soll nur geübt und unterrichtet werden, die Seele
müsse schaffen, das Auge soll ihr dienen. In Hinsicht der
Farbgebung der Fernen rieth er mir, dort, wo ich einen
Zweifel hätte, ob ich etwas sähe oder nur wisse, es lie¬
ber nicht anzugeben, und überhaupt in der Farbe lieber
unbestimmter als bestimmter zu sein, weil dadurch die
Gegenstände an Großartigkeit gewinnen. Sie werden
durch die Unbestimmtheit ferner und durch dieses allein
größer. Durch Linien des Zeichnenstiftes auf dem
kleinen Papiere oder der kleinen Leinwand könne man
nichts groß machen. Durch Verdeutlichung werden
die Körper näher gerückt und verkleinert. Wenn über¬
haupt ein Fehler gegen die Genauigkeit gemacht werden
müsse -- und kein Mensch könne Dinge namentlich
Landschaften in ihrer völligen Wesenheit geben -- so
sei es besser, die Gegenstände großartiger und über¬
sichtlicher zu geben, als in zu viele einzelne Merkmale
zerstreut. Das erste sei das Künstlerischere und Wirk¬
samere.

Maßſtab gewinne, nicht aber, daß man dadurch künſt¬
leriſche Aufnahmen von Landſchaften mache, weil durch
einen ſolchen Vorgang die künſtleriſche Freiheit und
Leichtigkeit verloren würde, welche in Bezug auf Dar¬
ſtellung das Weſen und das Herz der Kunſt ſei. Das
Auge ſoll nur geübt und unterrichtet werden, die Seele
müſſe ſchaffen, das Auge ſoll ihr dienen. In Hinſicht der
Farbgebung der Fernen rieth er mir, dort, wo ich einen
Zweifel hätte, ob ich etwas ſähe oder nur wiſſe, es lie¬
ber nicht anzugeben, und überhaupt in der Farbe lieber
unbeſtimmter als beſtimmter zu ſein, weil dadurch die
Gegenſtände an Großartigkeit gewinnen. Sie werden
durch die Unbeſtimmtheit ferner und durch dieſes allein
größer. Durch Linien des Zeichnenſtiftes auf dem
kleinen Papiere oder der kleinen Leinwand könne man
nichts groß machen. Durch Verdeutlichung werden
die Körper näher gerückt und verkleinert. Wenn über¬
haupt ein Fehler gegen die Genauigkeit gemacht werden
müſſe — und kein Menſch könne Dinge namentlich
Landſchaften in ihrer völligen Weſenheit geben — ſo
ſei es beſſer, die Gegenſtände großartiger und über¬
ſichtlicher zu geben, als in zu viele einzelne Merkmale
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[46/0060] Maßſtab gewinne, nicht aber, daß man dadurch künſt¬ leriſche Aufnahmen von Landſchaften mache, weil durch einen ſolchen Vorgang die künſtleriſche Freiheit und Leichtigkeit verloren würde, welche in Bezug auf Dar¬ ſtellung das Weſen und das Herz der Kunſt ſei. Das Auge ſoll nur geübt und unterrichtet werden, die Seele müſſe ſchaffen, das Auge ſoll ihr dienen. In Hinſicht der Farbgebung der Fernen rieth er mir, dort, wo ich einen Zweifel hätte, ob ich etwas ſähe oder nur wiſſe, es lie¬ ber nicht anzugeben, und überhaupt in der Farbe lieber unbeſtimmter als beſtimmter zu ſein, weil dadurch die Gegenſtände an Großartigkeit gewinnen. Sie werden durch die Unbeſtimmtheit ferner und durch dieſes allein größer. Durch Linien des Zeichnenſtiftes auf dem kleinen Papiere oder der kleinen Leinwand könne man nichts groß machen. Durch Verdeutlichung werden die Körper näher gerückt und verkleinert. Wenn über¬ haupt ein Fehler gegen die Genauigkeit gemacht werden müſſe — und kein Menſch könne Dinge namentlich Landſchaften in ihrer völligen Weſenheit geben — ſo ſei es beſſer, die Gegenſtände großartiger und über¬ ſichtlicher zu geben, als in zu viele einzelne Merkmale zerſtreut. Das erſte ſei das Künſtleriſchere und Wirk¬ ſamere.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/60>, abgerufen am 23.11.2024.