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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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ren die Gletscherverhältnisse andere? Das Eis aber
reichte einst tiefer: wie ist das alles geworden?

Wird sich vieles, wird sich alles noch einmal ganz
ändern? In welch schneller Folge geht es? Wenn
durch das Wirken des Himmels und seiner Gewässer
das Gebirge beständig zerbröckelt wird, wenn die Trüm¬
mer herabfallen, wenn sie weiter zerklüftet werden,
und der Strom sie endlich als Sand und Geschiebe
in die Niederungen hinausführt, wie weit wird das
kommen? Hat es schon lange gedauert? Unerme߬
liche Schichten von Geschieben in ebenen Ländern be¬
jahen es. Wird es noch lange dauern? So lange
Luft Licht Wärme und Wasser dieselben bleiben, so
lange es Höhen gibt, so lange wird es dauern. Wer¬
den die Gebirge also einstens verschwunden sein? Wer¬
den nur flache unbedeutende Höhen und Hügel die
Ebenen unterbrechen, und werden selbst diese ausein¬
ander gewaschen werden? Wird dann die Wärme in
den feuchten Niederungen oder in tiefen heißen Schluch¬
ten verschwinden, so wie die kalte Luft in Höhen auf
die Erde ohne Einfluß sein wird, so daß alle Glieder
in unsern Ländern von demselben lauen Stoffe umflossen
sind, und sich die Verhältnisse aller Gewächse ändern?
Oder dauert die Thätigkeit, durch welche die Berge

ren die Gletſcherverhältniſſe andere? Das Eis aber
reichte einſt tiefer: wie iſt das alles geworden?

Wird ſich vieles, wird ſich alles noch einmal ganz
ändern? In welch ſchneller Folge geht es? Wenn
durch das Wirken des Himmels und ſeiner Gewäſſer
das Gebirge beſtändig zerbröckelt wird, wenn die Trüm¬
mer herabfallen, wenn ſie weiter zerklüftet werden,
und der Strom ſie endlich als Sand und Geſchiebe
in die Niederungen hinausführt, wie weit wird das
kommen? Hat es ſchon lange gedauert? Unerme߬
liche Schichten von Geſchieben in ebenen Ländern be¬
jahen es. Wird es noch lange dauern? So lange
Luft Licht Wärme und Waſſer dieſelben bleiben, ſo
lange es Höhen gibt, ſo lange wird es dauern. Wer¬
den die Gebirge alſo einſtens verſchwunden ſein? Wer¬
den nur flache unbedeutende Höhen und Hügel die
Ebenen unterbrechen, und werden ſelbſt dieſe ausein¬
ander gewaſchen werden? Wird dann die Wärme in
den feuchten Niederungen oder in tiefen heißen Schluch¬
ten verſchwinden, ſo wie die kalte Luft in Höhen auf
die Erde ohne Einfluß ſein wird, ſo daß alle Glieder
in unſern Ländern von demſelben lauen Stoffe umfloſſen
ſind, und ſich die Verhältniſſe aller Gewächſe ändern?
Oder dauert die Thätigkeit, durch welche die Berge

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[37/0051] ren die Gletſcherverhältniſſe andere? Das Eis aber reichte einſt tiefer: wie iſt das alles geworden? Wird ſich vieles, wird ſich alles noch einmal ganz ändern? In welch ſchneller Folge geht es? Wenn durch das Wirken des Himmels und ſeiner Gewäſſer das Gebirge beſtändig zerbröckelt wird, wenn die Trüm¬ mer herabfallen, wenn ſie weiter zerklüftet werden, und der Strom ſie endlich als Sand und Geſchiebe in die Niederungen hinausführt, wie weit wird das kommen? Hat es ſchon lange gedauert? Unerme߬ liche Schichten von Geſchieben in ebenen Ländern be¬ jahen es. Wird es noch lange dauern? So lange Luft Licht Wärme und Waſſer dieſelben bleiben, ſo lange es Höhen gibt, ſo lange wird es dauern. Wer¬ den die Gebirge alſo einſtens verſchwunden ſein? Wer¬ den nur flache unbedeutende Höhen und Hügel die Ebenen unterbrechen, und werden ſelbſt dieſe ausein¬ ander gewaſchen werden? Wird dann die Wärme in den feuchten Niederungen oder in tiefen heißen Schluch¬ ten verſchwinden, ſo wie die kalte Luft in Höhen auf die Erde ohne Einfluß ſein wird, ſo daß alle Glieder in unſern Ländern von demſelben lauen Stoffe umfloſſen ſind, und ſich die Verhältniſſe aller Gewächſe ändern? Oder dauert die Thätigkeit, durch welche die Berge

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/51>, abgerufen am 27.04.2024.