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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Brustlinnens, dünkt sie mich das Würdigste und
Ernsteste."

"Und liebt ihr die Edelsteine als Schmuck?"
fragte sie.

"Wenn die schönsten Steine ihrer Art ausgewählt
werden," antwortete ich, "wenn sie in einer Fassung
sind, welche richtigen Kunstgesezen entspricht, und
wenn diese Fassung an der Stelle, wo sie ist, einen
Zweck erfüllt, also nothwendig erscheint: dann ist
wohl kein Schmuck des menschlichen Körpers feier¬
licher als der der Edelsteine."

Wir schwiegen nach diesen Worten, und ich konnte
Natalien jezt erst ein wenig betrachten. Sie hatte ein
mattes hellgraues Seidenkleid an, wie sie es über¬
haupt gerne trug. Das Kleid reichte, wie es bei ihr
immer der Fall war, bis zum Halse und bis zu den
Knöcheln der Hand. Von Schmuck hatte sie gar nichts
an sich, nicht das Geringste, während ihr Körper doch
so stimmend zu Edelsteinen gewesen wäre. Ohrge¬
hänge, welche damals alle Frauen und Mädchen
trugen, hatte weder Mathilde je, seit ich sie kannte,
getragen, noch trug sie Natalie.

In unserem Schweigen sahen wir gleichsam wie
durch Verabredung gegen das rieselnde Wasser.

Stifter, Nachsommer. II. 26

Bruſtlinnens, dünkt ſie mich das Würdigſte und
Ernſteſte.“

„Und liebt ihr die Edelſteine als Schmuck?“
fragte ſie.

„Wenn die ſchönſten Steine ihrer Art ausgewählt
werden,“ antwortete ich, „wenn ſie in einer Faſſung
ſind, welche richtigen Kunſtgeſezen entſpricht, und
wenn dieſe Faſſung an der Stelle, wo ſie iſt, einen
Zweck erfüllt, alſo nothwendig erſcheint: dann iſt
wohl kein Schmuck des menſchlichen Körpers feier¬
licher als der der Edelſteine.“

Wir ſchwiegen nach dieſen Worten, und ich konnte
Natalien jezt erſt ein wenig betrachten. Sie hatte ein
mattes hellgraues Seidenkleid an, wie ſie es über¬
haupt gerne trug. Das Kleid reichte, wie es bei ihr
immer der Fall war, bis zum Halſe und bis zu den
Knöcheln der Hand. Von Schmuck hatte ſie gar nichts
an ſich, nicht das Geringſte, während ihr Körper doch
ſo ſtimmend zu Edelſteinen geweſen wäre. Ohrge¬
hänge, welche damals alle Frauen und Mädchen
trugen, hatte weder Mathilde je, ſeit ich ſie kannte,
getragen, noch trug ſie Natalie.

In unſerem Schweigen ſahen wir gleichſam wie
durch Verabredung gegen das rieſelnde Waſſer.

Stifter, Nachſommer. II. 26
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[401/0415] Bruſtlinnens, dünkt ſie mich das Würdigſte und Ernſteſte.“ „Und liebt ihr die Edelſteine als Schmuck?“ fragte ſie. „Wenn die ſchönſten Steine ihrer Art ausgewählt werden,“ antwortete ich, „wenn ſie in einer Faſſung ſind, welche richtigen Kunſtgeſezen entſpricht, und wenn dieſe Faſſung an der Stelle, wo ſie iſt, einen Zweck erfüllt, alſo nothwendig erſcheint: dann iſt wohl kein Schmuck des menſchlichen Körpers feier¬ licher als der der Edelſteine.“ Wir ſchwiegen nach dieſen Worten, und ich konnte Natalien jezt erſt ein wenig betrachten. Sie hatte ein mattes hellgraues Seidenkleid an, wie ſie es über¬ haupt gerne trug. Das Kleid reichte, wie es bei ihr immer der Fall war, bis zum Halſe und bis zu den Knöcheln der Hand. Von Schmuck hatte ſie gar nichts an ſich, nicht das Geringſte, während ihr Körper doch ſo ſtimmend zu Edelſteinen geweſen wäre. Ohrge¬ hänge, welche damals alle Frauen und Mädchen trugen, hatte weder Mathilde je, ſeit ich ſie kannte, getragen, noch trug ſie Natalie. In unſerem Schweigen ſahen wir gleichſam wie durch Verabredung gegen das rieſelnde Waſſer. Stifter, Nachſommer. II. 26

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/415>, abgerufen am 22.11.2024.