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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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jezt stand ich wieder aufrecht vor dem leeren Theile
der Bank in der nicht sehr hohen Halle, und da mir
auch dieses eher unziemend als ziemend erschien, so
sezte ich mich auf den andern Theil der Bank, und
sagte: "Liebt ihr wohl diesen Plaz mehr als andere?"

"Ich liebe ihn," antwortete sie, "weil er abge¬
schlossen ist, und weil die Gestalt schön ist. Liebt ihr
ihn nicht auch?"

"Ich habe die Gestalt immer mehr lieben gelernt,
je länger ich sie kannte," antwortete ich.

"Ihr ginget früher öfter her?" fragte sie.

"Als ich durch die Güte eurer Mutter manche Ge¬
räthe in dem Sternenhofe zeichnete, und fast allein in
demselben wohnte, habe ich oft diese Halle besucht,"
erwiederte ich. "Und später auch, wenn ich durch
freundliche Einladung hieher kam, habe ich nie ver¬
säumt, an diese Stelle zu gehen."

"Ich habe euch hier gesehen," sagte sie.

"Die Anlage ist gemacht, daß sie das Gemüth
und den Verstand erfüllet," antwortete ich, "die grüne
Wand des Eppichs schließt ruhig ab, die zwei Eichen
stehen wie Wächter, und das Weiß des Steins geht sanft
von dem Dunkel der Blätter und des Gartens weg."

"Es ist alles nach und nach entstanden, wie die

jezt ſtand ich wieder aufrecht vor dem leeren Theile
der Bank in der nicht ſehr hohen Halle, und da mir
auch dieſes eher unziemend als ziemend erſchien, ſo
ſezte ich mich auf den andern Theil der Bank, und
ſagte: „Liebt ihr wohl dieſen Plaz mehr als andere?“

„Ich liebe ihn,“ antwortete ſie, „weil er abge¬
ſchloſſen iſt, und weil die Geſtalt ſchön iſt. Liebt ihr
ihn nicht auch?“

„Ich habe die Geſtalt immer mehr lieben gelernt,
je länger ich ſie kannte,“ antwortete ich.

„Ihr ginget früher öfter her?“ fragte ſie.

„Als ich durch die Güte eurer Mutter manche Ge¬
räthe in dem Sternenhofe zeichnete, und faſt allein in
demſelben wohnte, habe ich oft dieſe Halle beſucht,“
erwiederte ich. „Und ſpäter auch, wenn ich durch
freundliche Einladung hieher kam, habe ich nie ver¬
ſäumt, an dieſe Stelle zu gehen.“

„Ich habe euch hier geſehen,“ ſagte ſie.

„Die Anlage iſt gemacht, daß ſie das Gemüth
und den Verſtand erfüllet,“ antwortete ich, „die grüne
Wand des Eppichs ſchließt ruhig ab, die zwei Eichen
ſtehen wie Wächter, und das Weiß des Steins geht ſanft
von dem Dunkel der Blätter und des Gartens weg.“

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[395/0409] jezt ſtand ich wieder aufrecht vor dem leeren Theile der Bank in der nicht ſehr hohen Halle, und da mir auch dieſes eher unziemend als ziemend erſchien, ſo ſezte ich mich auf den andern Theil der Bank, und ſagte: „Liebt ihr wohl dieſen Plaz mehr als andere?“ „Ich liebe ihn,“ antwortete ſie, „weil er abge¬ ſchloſſen iſt, und weil die Geſtalt ſchön iſt. Liebt ihr ihn nicht auch?“ „Ich habe die Geſtalt immer mehr lieben gelernt, je länger ich ſie kannte,“ antwortete ich. „Ihr ginget früher öfter her?“ fragte ſie. „Als ich durch die Güte eurer Mutter manche Ge¬ räthe in dem Sternenhofe zeichnete, und faſt allein in demſelben wohnte, habe ich oft dieſe Halle beſucht,“ erwiederte ich. „Und ſpäter auch, wenn ich durch freundliche Einladung hieher kam, habe ich nie ver¬ ſäumt, an dieſe Stelle zu gehen.“ „Ich habe euch hier geſehen,“ ſagte ſie. „Die Anlage iſt gemacht, daß ſie das Gemüth und den Verſtand erfüllet,“ antwortete ich, „die grüne Wand des Eppichs ſchließt ruhig ab, die zwei Eichen ſtehen wie Wächter, und das Weiß des Steins geht ſanft von dem Dunkel der Blätter und des Gartens weg.“ „Es iſt alles nach und nach entſtanden, wie die

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/409>, abgerufen am 06.05.2024.