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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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"Jene alten Verhältnisse des Handelns und Den¬
kens waren aber, wie ich glaube, auch weniger ver¬
wickelt als die unsrigen," sagte ich.

"Sie hatten einen nicht so ausgedehnten Schau¬
plaz, wie wir," erwiederte er, "obwohl auch der Plaz
der Thaten zu Cäsars Zeit -- Brittanien Gallien
Italien Asien Afrika --, oder zu Alexanders Zeit --
Griechenland und Orient -- nicht ganz klein war.
Ihre Verhältnisse nach Außen gestalteten sich daher
leichter; aber im Innern dürften sie bei der großen
Zahl der mithandelnden Personen, von denen die
meisten Stimme und Gewalt in Staatsdingen hat¬
ten, nicht so leicht gewesen sein, und die Macht,
diese Gemüther durch Wort Erscheinung und Hand¬
lung zu gewinnen und zu leiten, dürfte schwierig zu
erwerben gewesen sein, und dürfte eben dem Wesen
eines Mannes die feste Gestalt aufgedrückt haben, die
wir so oft an ihm bewundern. Unsere Zeit ist eine ganz
verschiedene. Sie ist auf den Zusammensturz jener
gefolgt, und erscheint mir als eine Übergangszeit,
nach welcher eine kommen wird, von der das grie¬
chische und römische Alterthum weit wird übertroffen
werden. Wir arbeiten an einem besondern Gewichte
der Weltuhr, das den Alten, deren Sinn vorzüglich

Stifter, Nachsommer. II. 23

„Jene alten Verhältniſſe des Handelns und Den¬
kens waren aber, wie ich glaube, auch weniger ver¬
wickelt als die unſrigen,“ ſagte ich.

„Sie hatten einen nicht ſo ausgedehnten Schau¬
plaz, wie wir,“ erwiederte er, „obwohl auch der Plaz
der Thaten zu Cäſars Zeit — Brittanien Gallien
Italien Aſien Afrika —, oder zu Alexanders Zeit —
Griechenland und Orient — nicht ganz klein war.
Ihre Verhältniſſe nach Außen geſtalteten ſich daher
leichter; aber im Innern dürften ſie bei der großen
Zahl der mithandelnden Perſonen, von denen die
meiſten Stimme und Gewalt in Staatsdingen hat¬
ten, nicht ſo leicht geweſen ſein, und die Macht,
dieſe Gemüther durch Wort Erſcheinung und Hand¬
lung zu gewinnen und zu leiten, dürfte ſchwierig zu
erwerben geweſen ſein, und dürfte eben dem Weſen
eines Mannes die feſte Geſtalt aufgedrückt haben, die
wir ſo oft an ihm bewundern. Unſere Zeit iſt eine ganz
verſchiedene. Sie iſt auf den Zuſammenſturz jener
gefolgt, und erſcheint mir als eine Übergangszeit,
nach welcher eine kommen wird, von der das grie¬
chiſche und römiſche Alterthum weit wird übertroffen
werden. Wir arbeiten an einem beſondern Gewichte
der Weltuhr, das den Alten, deren Sinn vorzüglich

Stifter, Nachſommer. II. 23
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[353/0367] „Jene alten Verhältniſſe des Handelns und Den¬ kens waren aber, wie ich glaube, auch weniger ver¬ wickelt als die unſrigen,“ ſagte ich. „Sie hatten einen nicht ſo ausgedehnten Schau¬ plaz, wie wir,“ erwiederte er, „obwohl auch der Plaz der Thaten zu Cäſars Zeit — Brittanien Gallien Italien Aſien Afrika —, oder zu Alexanders Zeit — Griechenland und Orient — nicht ganz klein war. Ihre Verhältniſſe nach Außen geſtalteten ſich daher leichter; aber im Innern dürften ſie bei der großen Zahl der mithandelnden Perſonen, von denen die meiſten Stimme und Gewalt in Staatsdingen hat¬ ten, nicht ſo leicht geweſen ſein, und die Macht, dieſe Gemüther durch Wort Erſcheinung und Hand¬ lung zu gewinnen und zu leiten, dürfte ſchwierig zu erwerben geweſen ſein, und dürfte eben dem Weſen eines Mannes die feſte Geſtalt aufgedrückt haben, die wir ſo oft an ihm bewundern. Unſere Zeit iſt eine ganz verſchiedene. Sie iſt auf den Zuſammenſturz jener gefolgt, und erſcheint mir als eine Übergangszeit, nach welcher eine kommen wird, von der das grie¬ chiſche und römiſche Alterthum weit wird übertroffen werden. Wir arbeiten an einem beſondern Gewichte der Weltuhr, das den Alten, deren Sinn vorzüglich Stifter, Nachſommer. II. 23

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/367>, abgerufen am 25.11.2024.