Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

gaben waren nicht so leicht zu lösen, sie verwickelten
sich, und wiesen immer wieder auf neue Fragen hin.
Dann kam eine andre Zeit; es war mir, als sei die
Wissenschaft nicht mehr das Lezte, es liege nichts
daran, ob man ein Einzelnes wisse oder nicht, die
Welt erglänzte wie von einer innern Schönheit, die
man auf ein Mal fassen soll, nicht zerstückt, ich be¬
wunderte sie, ich liebte sie, ich suchte sie an mich zu
ziehen, und sehnte mich nach etwas Unbekanntem und
Großem, das da sein müsse."

Sie sagte nach diesen Worten eine Zeit hindurch
nichts; dann aber fragte sie: "Und ihr werdet in die¬
sem Sommer noch einmal in euren Aufenthaltsort
zurückkehren, den ihr euch jezt zu eurer Arbeit auser¬
koren habt?"

"Ich werde in denselben zurück kehren," antwor¬
tete ich.

"Und den Winter bringt ihr bei euren lieben An¬
gehörigen zu?" fragte sie weiter.

"Ich werde ihn wie alle bisherigen in dem Hause
meiner Eltern verleben," sagte ich.

"Und seid ihr in dem Winter im Sternenhofe?"
fragte ich nach einiger Zeit.

"Wir haben ihn früher zuweilen in der Stadt zu¬

gaben waren nicht ſo leicht zu löſen, ſie verwickelten
ſich, und wieſen immer wieder auf neue Fragen hin.
Dann kam eine andre Zeit; es war mir, als ſei die
Wiſſenſchaft nicht mehr das Lezte, es liege nichts
daran, ob man ein Einzelnes wiſſe oder nicht, die
Welt erglänzte wie von einer innern Schönheit, die
man auf ein Mal faſſen ſoll, nicht zerſtückt, ich be¬
wunderte ſie, ich liebte ſie, ich ſuchte ſie an mich zu
ziehen, und ſehnte mich nach etwas Unbekanntem und
Großem, das da ſein müſſe.“

Sie ſagte nach dieſen Worten eine Zeit hindurch
nichts; dann aber fragte ſie: „Und ihr werdet in die¬
ſem Sommer noch einmal in euren Aufenthaltsort
zurückkehren, den ihr euch jezt zu eurer Arbeit auser¬
koren habt?“

„Ich werde in denſelben zurück kehren,“ antwor¬
tete ich.

„Und den Winter bringt ihr bei euren lieben An¬
gehörigen zu?“ fragte ſie weiter.

„Ich werde ihn wie alle bisherigen in dem Hauſe
meiner Eltern verleben,“ ſagte ich.

„Und ſeid ihr in dem Winter im Sternenhofe?“
fragte ich nach einiger Zeit.

„Wir haben ihn früher zuweilen in der Stadt zu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
gaben waren nicht &#x017F;o leicht zu lö&#x017F;en, &#x017F;ie verwickelten<lb/>
&#x017F;ich, und wie&#x017F;en immer wieder auf neue Fragen hin.<lb/>
Dann kam eine andre Zeit; es war mir, als &#x017F;ei die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nicht mehr das Lezte, es liege nichts<lb/>
daran, ob man ein Einzelnes wi&#x017F;&#x017F;e oder nicht, die<lb/>
Welt erglänzte wie von einer innern Schönheit, die<lb/>
man auf ein Mal fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll, nicht zer&#x017F;tückt, ich be¬<lb/>
wunderte &#x017F;ie, ich liebte &#x017F;ie, ich &#x017F;uchte &#x017F;ie an mich zu<lb/>
ziehen, und &#x017F;ehnte mich nach etwas Unbekanntem und<lb/>
Großem, das da &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;agte nach die&#x017F;en Worten eine Zeit hindurch<lb/>
nichts; dann aber fragte &#x017F;ie: &#x201E;Und ihr werdet in die¬<lb/>
&#x017F;em Sommer noch einmal in euren Aufenthaltsort<lb/>
zurückkehren, den ihr euch jezt zu eurer Arbeit auser¬<lb/>
koren habt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich werde in den&#x017F;elben zurück kehren,&#x201C; antwor¬<lb/>
tete ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und den Winter bringt ihr bei euren lieben An¬<lb/>
gehörigen zu?&#x201C; fragte &#x017F;ie weiter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich werde ihn wie alle bisherigen in dem Hau&#x017F;e<lb/>
meiner Eltern verleben,&#x201C; &#x017F;agte ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und &#x017F;eid ihr in dem Winter im Sternenhofe?&#x201C;<lb/>
fragte ich nach einiger Zeit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir haben ihn früher zuweilen in der Stadt zu¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] gaben waren nicht ſo leicht zu löſen, ſie verwickelten ſich, und wieſen immer wieder auf neue Fragen hin. Dann kam eine andre Zeit; es war mir, als ſei die Wiſſenſchaft nicht mehr das Lezte, es liege nichts daran, ob man ein Einzelnes wiſſe oder nicht, die Welt erglänzte wie von einer innern Schönheit, die man auf ein Mal faſſen ſoll, nicht zerſtückt, ich be¬ wunderte ſie, ich liebte ſie, ich ſuchte ſie an mich zu ziehen, und ſehnte mich nach etwas Unbekanntem und Großem, das da ſein müſſe.“ Sie ſagte nach dieſen Worten eine Zeit hindurch nichts; dann aber fragte ſie: „Und ihr werdet in die¬ ſem Sommer noch einmal in euren Aufenthaltsort zurückkehren, den ihr euch jezt zu eurer Arbeit auser¬ koren habt?“ „Ich werde in denſelben zurück kehren,“ antwor¬ tete ich. „Und den Winter bringt ihr bei euren lieben An¬ gehörigen zu?“ fragte ſie weiter. „Ich werde ihn wie alle bisherigen in dem Hauſe meiner Eltern verleben,“ ſagte ich. „Und ſeid ihr in dem Winter im Sternenhofe?“ fragte ich nach einiger Zeit. „Wir haben ihn früher zuweilen in der Stadt zu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/333
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/333>, abgerufen am 25.11.2024.