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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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können, weil er sich selbst alles habe herbei schaffen
müssen, und nur um wenige Jahre älter gewesen sei.
Nach Anweisung vernünftiger Menschen habe er zu
lesen begonnen, und manchen freien Tag in seiner
Lehrzeit habe er in seiner Kammer bei den Büchern
zugebracht. Er habe, da er frei wurde, und theils
in unserer Stadt theils in den ersten Handelspläzen
Europas Dienste that, die Bekanntschaft von Künst¬
lern gemacht, habe sie in ihren Arbeitsstuben besucht,
habe über die Art zu malen sich Kenntnisse gesammelt,
und sei mit diesen Kenntnissen in die berühmtesten
Bildersammlungen der größten Städte gegangen.
Hiebei sei es ihm widerfahren, daß er zweimal im
Lernen habe von vorne anfangen müssen. So sei es
ihm in Rom, wohin er sich von Triest aus bege¬
ben hatte, um dort ein halbes Jahr für sich selber
zu leben, klar geworden, daß er gar nichts wisse. Er
habe wieder unverdrossen angefangen, und von Rom
schreibe sich seine Liebe für alte Bilder her. Sein
Bruder habe den Weg durch die Staatsschulen ge¬
macht, und da er ihn sehr liebte, habe er von ihm
auch die Liebe zu den alten Sprachen angenommen.
In seinen Diensten habe er mehr freie Zeit gehabt,
als da er noch lernte, und diese Zeit habe er zu seinen

können, weil er ſich ſelbſt alles habe herbei ſchaffen
müſſen, und nur um wenige Jahre älter geweſen ſei.
Nach Anweiſung vernünftiger Menſchen habe er zu
leſen begonnen, und manchen freien Tag in ſeiner
Lehrzeit habe er in ſeiner Kammer bei den Büchern
zugebracht. Er habe, da er frei wurde, und theils
in unſerer Stadt theils in den erſten Handelspläzen
Europas Dienſte that, die Bekanntſchaft von Künſt¬
lern gemacht, habe ſie in ihren Arbeitsſtuben beſucht,
habe über die Art zu malen ſich Kenntniſſe geſammelt,
und ſei mit dieſen Kenntniſſen in die berühmteſten
Bilderſammlungen der größten Städte gegangen.
Hiebei ſei es ihm widerfahren, daß er zweimal im
Lernen habe von vorne anfangen müſſen. So ſei es
ihm in Rom, wohin er ſich von Trieſt aus bege¬
ben hatte, um dort ein halbes Jahr für ſich ſelber
zu leben, klar geworden, daß er gar nichts wiſſe. Er
habe wieder unverdroſſen angefangen, und von Rom
ſchreibe ſich ſeine Liebe für alte Bilder her. Sein
Bruder habe den Weg durch die Staatsſchulen ge¬
macht, und da er ihn ſehr liebte, habe er von ihm
auch die Liebe zu den alten Sprachen angenommen.
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[272/0286] können, weil er ſich ſelbſt alles habe herbei ſchaffen müſſen, und nur um wenige Jahre älter geweſen ſei. Nach Anweiſung vernünftiger Menſchen habe er zu leſen begonnen, und manchen freien Tag in ſeiner Lehrzeit habe er in ſeiner Kammer bei den Büchern zugebracht. Er habe, da er frei wurde, und theils in unſerer Stadt theils in den erſten Handelspläzen Europas Dienſte that, die Bekanntſchaft von Künſt¬ lern gemacht, habe ſie in ihren Arbeitsſtuben beſucht, habe über die Art zu malen ſich Kenntniſſe geſammelt, und ſei mit dieſen Kenntniſſen in die berühmteſten Bilderſammlungen der größten Städte gegangen. Hiebei ſei es ihm widerfahren, daß er zweimal im Lernen habe von vorne anfangen müſſen. So ſei es ihm in Rom, wohin er ſich von Trieſt aus bege¬ ben hatte, um dort ein halbes Jahr für ſich ſelber zu leben, klar geworden, daß er gar nichts wiſſe. Er habe wieder unverdroſſen angefangen, und von Rom ſchreibe ſich ſeine Liebe für alte Bilder her. Sein Bruder habe den Weg durch die Staatsſchulen ge¬ macht, und da er ihn ſehr liebte, habe er von ihm auch die Liebe zu den alten Sprachen angenommen. In ſeinen Dienſten habe er mehr freie Zeit gehabt, als da er noch lernte, und dieſe Zeit habe er zu ſeinen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/286>, abgerufen am 17.05.2024.