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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Helle der Treppe, auf welche von oben die sanfte
Fluth des Lichtes hernieder sank, und vergnügte sich
an bei Herrlichkeit der dort befindlichen Gestalt und
der Pracht ihrer Gliederung. Ich erkannte, daß Ma¬
thilde in der Beurtheilung der Kunst erfahren sei,
und daß sie dieselbe mit warmem Herzen liebe. Auch
an Natalien sah ich, daß sie in Kunstdingen nicht
fremd sei, und daß sie in ihrer Neigung etwas gelten.
Ich machte also jezt die Erfahrung, daß man in frühe¬
rer Zeit, da ich mein Augenmerk noch weniger auf
Gemälde und ähnliche Kunstwerke gerichtet hatte,
und dieselben einen tiefen Plaz in meinem Innern
noch nicht einnahmen, mich geschont habe, daß man
nicht eingegangen sei, in meiner Gegenwart von den
in dem Hause befindlichen Kunstwerken zu sprechen,
um mich nicht in einen Kreis zu nöthigen, der in
jenem Augenblicke noch beinahe außerhalb meiner
Seelenkräfte lag. Mir kam jezt auch zu Sinne, daß
in gleicher Weise mein Vater nie zu mir auf eigenen
Antrieb von seinen Bildern gesprochen habe, und daß
er sich nur in so weit über dieselben eingelassen, als
ich selber darauf zu sprechen kam, und um dieses oder
jenes fragte. Sie haben also sämmtlich einen Gegen¬
stand vermieden, der in mir noch nicht geläufig war,

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Helle der Treppe, auf welche von oben die ſanfte
Fluth des Lichtes hernieder ſank, und vergnügte ſich
an bei Herrlichkeit der dort befindlichen Geſtalt und
der Pracht ihrer Gliederung. Ich erkannte, daß Ma¬
thilde in der Beurtheilung der Kunſt erfahren ſei,
und daß ſie dieſelbe mit warmem Herzen liebe. Auch
an Natalien ſah ich, daß ſie in Kunſtdingen nicht
fremd ſei, und daß ſie in ihrer Neigung etwas gelten.
Ich machte alſo jezt die Erfahrung, daß man in frühe¬
rer Zeit, da ich mein Augenmerk noch weniger auf
Gemälde und ähnliche Kunſtwerke gerichtet hatte,
und dieſelben einen tiefen Plaz in meinem Innern
noch nicht einnahmen, mich geſchont habe, daß man
nicht eingegangen ſei, in meiner Gegenwart von den
in dem Hauſe befindlichen Kunſtwerken zu ſprechen,
um mich nicht in einen Kreis zu nöthigen, der in
jenem Augenblicke noch beinahe außerhalb meiner
Seelenkräfte lag. Mir kam jezt auch zu Sinne, daß
in gleicher Weiſe mein Vater nie zu mir auf eigenen
Antrieb von ſeinen Bildern geſprochen habe, und daß
er ſich nur in ſo weit über dieſelben eingelaſſen, als
ich ſelber darauf zu ſprechen kam, und um dieſes oder
jenes fragte. Sie haben alſo ſämmtlich einen Gegen¬
ſtand vermieden, der in mir noch nicht geläufig war,

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[179/0193] Helle der Treppe, auf welche von oben die ſanfte Fluth des Lichtes hernieder ſank, und vergnügte ſich an bei Herrlichkeit der dort befindlichen Geſtalt und der Pracht ihrer Gliederung. Ich erkannte, daß Ma¬ thilde in der Beurtheilung der Kunſt erfahren ſei, und daß ſie dieſelbe mit warmem Herzen liebe. Auch an Natalien ſah ich, daß ſie in Kunſtdingen nicht fremd ſei, und daß ſie in ihrer Neigung etwas gelten. Ich machte alſo jezt die Erfahrung, daß man in frühe¬ rer Zeit, da ich mein Augenmerk noch weniger auf Gemälde und ähnliche Kunſtwerke gerichtet hatte, und dieſelben einen tiefen Plaz in meinem Innern noch nicht einnahmen, mich geſchont habe, daß man nicht eingegangen ſei, in meiner Gegenwart von den in dem Hauſe befindlichen Kunſtwerken zu ſprechen, um mich nicht in einen Kreis zu nöthigen, der in jenem Augenblicke noch beinahe außerhalb meiner Seelenkräfte lag. Mir kam jezt auch zu Sinne, daß in gleicher Weiſe mein Vater nie zu mir auf eigenen Antrieb von ſeinen Bildern geſprochen habe, und daß er ſich nur in ſo weit über dieſelben eingelaſſen, als ich ſelber darauf zu ſprechen kam, und um dieſes oder jenes fragte. Sie haben alſo ſämmtlich einen Gegen¬ ſtand vermieden, der in mir noch nicht geläufig war, 12 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/193>, abgerufen am 03.05.2024.