gefunden. Ich habe stets nach Bildern gesucht, habe Manches gekauft, Manches wieder verkauft, Neues gekauft, und so war ein fortlaufender Wechsel, bis es so wurde, wie es jezt ist. Nun aber verkaufe oder ver¬ tausche ich nichts mehr, selbst wenn mir etwas Außer¬ ordentliches vorkäme, das ich nicht ohne Weggabe eines Früheren erkaufen könnte. Mit dem Alter wird man so anhänglich an das Gewohnte, daß man es nicht missen kann, wenn es auch verbraucht zu werden beginnt und verschossen und verschollen ist. Ich lege alte Kleider nicht gerne ab, und wenn ich eines der Bilder, die mich nun so lange umgeben, aus dem Hause lassen müßte, so würde ich einem großen Schmerze nicht entgehen. Sie mögen nun bleiben, wie sie sind, und wo sie sind, bis ich scheide. Selbst der Gedanke, daß ein Nachfolger die Bilder so lasse und sie ehre, wie sie hier sind, hat für mich etwas sehr Angenehmes, obwohl er thöricht ist, und ich ihm aus dem Wege gehe; denn darin besteht das Leben der Welt, daß ein Streben und Erringen und darum ein Wandel ist, welcher Wandel auch hier eintreten wird. Ich habe auch längere Zeit schon nichts mehr gekauft, außer einer recht lieben kleinen Landschaft von Ruysdael, die neben der Thür im Bilderzimmer hängt,
gefunden. Ich habe ſtets nach Bildern geſucht, habe Manches gekauft, Manches wieder verkauft, Neues gekauft, und ſo war ein fortlaufender Wechſel, bis es ſo wurde, wie es jezt iſt. Nun aber verkaufe oder ver¬ tauſche ich nichts mehr, ſelbſt wenn mir etwas Außer¬ ordentliches vorkäme, das ich nicht ohne Weggabe eines Früheren erkaufen könnte. Mit dem Alter wird man ſo anhänglich an das Gewohnte, daß man es nicht miſſen kann, wenn es auch verbraucht zu werden beginnt und verſchoſſen und verſchollen iſt. Ich lege alte Kleider nicht gerne ab, und wenn ich eines der Bilder, die mich nun ſo lange umgeben, aus dem Hauſe laſſen müßte, ſo würde ich einem großen Schmerze nicht entgehen. Sie mögen nun bleiben, wie ſie ſind, und wo ſie ſind, bis ich ſcheide. Selbſt der Gedanke, daß ein Nachfolger die Bilder ſo laſſe und ſie ehre, wie ſie hier ſind, hat für mich etwas ſehr Angenehmes, obwohl er thöricht iſt, und ich ihm aus dem Wege gehe; denn darin beſteht das Leben der Welt, daß ein Streben und Erringen und darum ein Wandel iſt, welcher Wandel auch hier eintreten wird. Ich habe auch längere Zeit ſchon nichts mehr gekauft, außer einer recht lieben kleinen Landſchaft von Ruysdael, die neben der Thür im Bilderzimmer hängt,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="151"/>
gefunden. Ich habe ſtets nach Bildern geſucht, habe<lb/>
Manches gekauft, Manches wieder verkauft, Neues<lb/>
gekauft, und ſo war ein fortlaufender Wechſel, bis es<lb/>ſo wurde, wie es jezt iſt. Nun aber verkaufe oder ver¬<lb/>
tauſche ich nichts mehr, ſelbſt wenn mir etwas Außer¬<lb/>
ordentliches vorkäme, das ich nicht ohne Weggabe<lb/>
eines Früheren erkaufen könnte. Mit dem Alter wird<lb/>
man ſo anhänglich an das Gewohnte, daß man es<lb/>
nicht miſſen kann, wenn es auch verbraucht zu werden<lb/>
beginnt und verſchoſſen und verſchollen iſt. Ich lege<lb/>
alte Kleider nicht gerne ab, und wenn ich eines der<lb/>
Bilder, die mich nun ſo lange umgeben, aus dem<lb/>
Hauſe laſſen müßte, ſo würde ich einem großen<lb/>
Schmerze nicht entgehen. Sie mögen nun bleiben,<lb/>
wie ſie ſind, und wo ſie ſind, bis ich ſcheide. Selbſt<lb/>
der Gedanke, daß ein Nachfolger die Bilder ſo laſſe<lb/>
und ſie ehre, wie ſie hier ſind, hat für mich etwas<lb/>ſehr Angenehmes, obwohl er thöricht iſt, und ich ihm<lb/>
aus dem Wege gehe; denn darin beſteht das Leben<lb/>
der Welt, daß ein Streben und Erringen und darum<lb/>
ein Wandel iſt, welcher Wandel auch hier eintreten<lb/>
wird. Ich habe auch längere Zeit ſchon nichts mehr<lb/>
gekauft, außer einer recht lieben kleinen Landſchaft von<lb/>
Ruysdael, die neben der Thür im Bilderzimmer hängt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0165]
gefunden. Ich habe ſtets nach Bildern geſucht, habe
Manches gekauft, Manches wieder verkauft, Neues
gekauft, und ſo war ein fortlaufender Wechſel, bis es
ſo wurde, wie es jezt iſt. Nun aber verkaufe oder ver¬
tauſche ich nichts mehr, ſelbſt wenn mir etwas Außer¬
ordentliches vorkäme, das ich nicht ohne Weggabe
eines Früheren erkaufen könnte. Mit dem Alter wird
man ſo anhänglich an das Gewohnte, daß man es
nicht miſſen kann, wenn es auch verbraucht zu werden
beginnt und verſchoſſen und verſchollen iſt. Ich lege
alte Kleider nicht gerne ab, und wenn ich eines der
Bilder, die mich nun ſo lange umgeben, aus dem
Hauſe laſſen müßte, ſo würde ich einem großen
Schmerze nicht entgehen. Sie mögen nun bleiben,
wie ſie ſind, und wo ſie ſind, bis ich ſcheide. Selbſt
der Gedanke, daß ein Nachfolger die Bilder ſo laſſe
und ſie ehre, wie ſie hier ſind, hat für mich etwas
ſehr Angenehmes, obwohl er thöricht iſt, und ich ihm
aus dem Wege gehe; denn darin beſteht das Leben
der Welt, daß ein Streben und Erringen und darum
ein Wandel iſt, welcher Wandel auch hier eintreten
wird. Ich habe auch längere Zeit ſchon nichts mehr
gekauft, außer einer recht lieben kleinen Landſchaft von
Ruysdael, die neben der Thür im Bilderzimmer hängt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/165>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.