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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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der Mann, der damit angethan ist, könne nicht gehen,
weil ihn die erzene Falte hindere. Wie es mit dem
Gewande ist, ist es auch mit dem Leibe, der das
Gewand der Seele ist, und die Seele allein kann ja
nur der Gegenstand sein, welchen der Künstler durch
das Bild und Gleichniß des Leibes darstellt. Hier
auch ließen sich die Alten von der Natur leiten, und
wenn sie Sünden begingen, die das Auge des natur¬
forschenden Zergliederers strenge genommen tadeln
müßte, so begingen sie keine, die das nicht so stofflich
blickende Auge der Kunst zu verdammen gezwungen
wäre. Dafür zeigt die Schwingung der Gliederflä¬
chen in ihren Theilen und Unterabtheilungen eine
solche Ausbildung und Durchführung, daß die Zu¬
stände von jezt und von unmittelbar vorher und nach¬
her sichtbar werden, daß die Glieder wie ich vorher
von der Gewandung sagte die Vorstellung der Be¬
weglichkeit geben, und daß sie leben. Wie bei den
Gewändern bilden manche Neue auch die Glieder ins
Größere Allgemeinere weniger Ausgeführte, um nicht
krampfig zu werden, und dann gerathen die Muskeln
gerne wie glatte spröde unbiegsame Glaskörper, und
die Gestalt kann sich nicht rühren. Das Gesagte mag
ungefähr den Begriff von dem geben, was man in der

der Mann, der damit angethan iſt, könne nicht gehen,
weil ihn die erzene Falte hindere. Wie es mit dem
Gewande iſt, iſt es auch mit dem Leibe, der das
Gewand der Seele iſt, und die Seele allein kann ja
nur der Gegenſtand ſein, welchen der Künſtler durch
das Bild und Gleichniß des Leibes darſtellt. Hier
auch ließen ſich die Alten von der Natur leiten, und
wenn ſie Sünden begingen, die das Auge des natur¬
forſchenden Zergliederers ſtrenge genommen tadeln
müßte, ſo begingen ſie keine, die das nicht ſo ſtofflich
blickende Auge der Kunſt zu verdammen gezwungen
wäre. Dafür zeigt die Schwingung der Gliederflä¬
chen in ihren Theilen und Unterabtheilungen eine
ſolche Ausbildung und Durchführung, daß die Zu¬
ſtände von jezt und von unmittelbar vorher und nach¬
her ſichtbar werden, daß die Glieder wie ich vorher
von der Gewandung ſagte die Vorſtellung der Be¬
weglichkeit geben, und daß ſie leben. Wie bei den
Gewändern bilden manche Neue auch die Glieder ins
Größere Allgemeinere weniger Ausgeführte, um nicht
krampfig zu werden, und dann gerathen die Muskeln
gerne wie glatte ſpröde unbiegſame Glaskörper, und
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[132/0146] der Mann, der damit angethan iſt, könne nicht gehen, weil ihn die erzene Falte hindere. Wie es mit dem Gewande iſt, iſt es auch mit dem Leibe, der das Gewand der Seele iſt, und die Seele allein kann ja nur der Gegenſtand ſein, welchen der Künſtler durch das Bild und Gleichniß des Leibes darſtellt. Hier auch ließen ſich die Alten von der Natur leiten, und wenn ſie Sünden begingen, die das Auge des natur¬ forſchenden Zergliederers ſtrenge genommen tadeln müßte, ſo begingen ſie keine, die das nicht ſo ſtofflich blickende Auge der Kunſt zu verdammen gezwungen wäre. Dafür zeigt die Schwingung der Gliederflä¬ chen in ihren Theilen und Unterabtheilungen eine ſolche Ausbildung und Durchführung, daß die Zu¬ ſtände von jezt und von unmittelbar vorher und nach¬ her ſichtbar werden, daß die Glieder wie ich vorher von der Gewandung ſagte die Vorſtellung der Be¬ weglichkeit geben, und daß ſie leben. Wie bei den Gewändern bilden manche Neue auch die Glieder ins Größere Allgemeinere weniger Ausgeführte, um nicht krampfig zu werden, und dann gerathen die Muskeln gerne wie glatte ſpröde unbiegſame Glaskörper, und die Geſtalt kann ſich nicht rühren. Das Geſagte mag ungefähr den Begriff von dem geben, was man in der

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/146>, abgerufen am 22.11.2024.