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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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angenehmsten, das Liebliche Sittige Schelmische, das
sich an manchen jungen Land- oder Gebirgsmädchen
darstellte, auf der Leinwand nachzuahmen.

Eines Abends, da Blize fast um den ganzen Ge¬
sichtskreis leuchteten, und ich von dem Garten gegen
das Haus ging, fand ich die Thür, welche zu dem
Gange des Amonitenmarmors zu der breiten Mar¬
mortreppe und zu dem Marmorsaale führte, offen
stehen. Ein Arbeiter, der in der Nähe war, sagte
mir, daß wahrscheinlich der Herr durch die Thür
hinein gegangen sei, daß er sich vermuthlich in dem
steinernen Saale befinden werde, in welchen er gerne
gehe, wenn Gewitter am Himmel ständen, und daß
die Thür vielleicht offen geblieben sei, damit Gustav,
wenn er käme, auch hinaufgehen könnte. Ich blickte
in den Marmorgang, sah hinter der Schwelle mehrere
Paare von Filzschuhen stehen, und beschloß, auch in
den steinernen Saal hinauf zu gehen, um meinen
Gastfreund aufzusuchen. Ich legte ein Paar von pas¬
senden Filzschuhen an, und ging den Gang des Amo¬
nitenmarmors entlang. Ich kam zu der Marmor¬
treppe, und stieg langsam auf ihr empor. Es war
heute kein Tuchstreifen über sie gelegt, sie stand in
ihrem ganzen feinen Glanze da, und erhellte sich noch

angenehmſten, das Liebliche Sittige Schelmiſche, das
ſich an manchen jungen Land- oder Gebirgsmädchen
darſtellte, auf der Leinwand nachzuahmen.

Eines Abends, da Blize faſt um den ganzen Ge¬
ſichtskreis leuchteten, und ich von dem Garten gegen
das Haus ging, fand ich die Thür, welche zu dem
Gange des Amonitenmarmors zu der breiten Mar¬
mortreppe und zu dem Marmorſaale führte, offen
ſtehen. Ein Arbeiter, der in der Nähe war, ſagte
mir, daß wahrſcheinlich der Herr durch die Thür
hinein gegangen ſei, daß er ſich vermuthlich in dem
ſteinernen Saale befinden werde, in welchen er gerne
gehe, wenn Gewitter am Himmel ſtänden, und daß
die Thür vielleicht offen geblieben ſei, damit Guſtav,
wenn er käme, auch hinaufgehen könnte. Ich blickte
in den Marmorgang, ſah hinter der Schwelle mehrere
Paare von Filzſchuhen ſtehen, und beſchloß, auch in
den ſteinernen Saal hinauf zu gehen, um meinen
Gaſtfreund aufzuſuchen. Ich legte ein Paar von paſ¬
ſenden Filzſchuhen an, und ging den Gang des Amo¬
nitenmarmors entlang. Ich kam zu der Marmor¬
treppe, und ſtieg langſam auf ihr empor. Es war
heute kein Tuchſtreifen über ſie gelegt, ſie ſtand in
ihrem ganzen feinen Glanze da, und erhellte ſich noch

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[103/0117] angenehmſten, das Liebliche Sittige Schelmiſche, das ſich an manchen jungen Land- oder Gebirgsmädchen darſtellte, auf der Leinwand nachzuahmen. Eines Abends, da Blize faſt um den ganzen Ge¬ ſichtskreis leuchteten, und ich von dem Garten gegen das Haus ging, fand ich die Thür, welche zu dem Gange des Amonitenmarmors zu der breiten Mar¬ mortreppe und zu dem Marmorſaale führte, offen ſtehen. Ein Arbeiter, der in der Nähe war, ſagte mir, daß wahrſcheinlich der Herr durch die Thür hinein gegangen ſei, daß er ſich vermuthlich in dem ſteinernen Saale befinden werde, in welchen er gerne gehe, wenn Gewitter am Himmel ſtänden, und daß die Thür vielleicht offen geblieben ſei, damit Guſtav, wenn er käme, auch hinaufgehen könnte. Ich blickte in den Marmorgang, ſah hinter der Schwelle mehrere Paare von Filzſchuhen ſtehen, und beſchloß, auch in den ſteinernen Saal hinauf zu gehen, um meinen Gaſtfreund aufzuſuchen. Ich legte ein Paar von paſ¬ ſenden Filzſchuhen an, und ging den Gang des Amo¬ nitenmarmors entlang. Ich kam zu der Marmor¬ treppe, und ſtieg langſam auf ihr empor. Es war heute kein Tuchſtreifen über ſie gelegt, ſie ſtand in ihrem ganzen feinen Glanze da, und erhellte ſich noch

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/117>, abgerufen am 05.05.2024.