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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Wasser in unendlich kleinen Tröpfchen, die kaum durch
ein Vergrößerungsglas ersichtlich sind, aus dem Dunste
der Luft sich auf die Tafeln unserer Fenster absezt,
und die Kälte dazu kömmt, die nöthig ist, so entsteht
die Decke von Fäden Sternen Wedeln Palmen und
Blumen, die wir gefrorene Fenster heißen. Alle diese
Dinge stellen sich zu einem Ganzen zusammen, und
die Strahlen die Thäler die Rücken die Knoten des
Eises sind durch ein Vergrößerungsglas angesehen
bewunderungswürdig. Eben so stellt sich von sehr
hohen Bergen aus gesehen die niedriger liegende Ge¬
staltung der Erde dar. Sie muß aus einem erstarren¬
den Stoffe entstanden sein, und streckt ihre Fächer und
Palmen in großartigem Maßstabe aus. Der Berg sel¬
ber, auf dem ich stehe, ist der weiße helle und sehr
glänzende Punkt, den wir in der Mitte der zarten
Gewebe unserer gefrorenen Fenster sehen. Die Pal¬
menränder der gefrorenen Fenstertafeln werden durch
Abbröklung wegen des Luftzuges oder durch Schmel¬
zung wegen der Wärme lückenhaft und unterbrochen.
An den Gebirgszügen geschehen Zerstörungen durch
Verwitterung in Folge des Einflusses des Wassers der
Luft der Wärme und der Kälte. Nur braucht die Zer¬
störung der Eisnadeln an den Fenstern kürzere Zeit

Waſſer in unendlich kleinen Tröpfchen, die kaum durch
ein Vergrößerungsglas erſichtlich ſind, aus dem Dunſte
der Luft ſich auf die Tafeln unſerer Fenſter abſezt,
und die Kälte dazu kömmt, die nöthig iſt, ſo entſteht
die Decke von Fäden Sternen Wedeln Palmen und
Blumen, die wir gefrorene Fenſter heißen. Alle dieſe
Dinge ſtellen ſich zu einem Ganzen zuſammen, und
die Strahlen die Thäler die Rücken die Knoten des
Eiſes ſind durch ein Vergrößerungsglas angeſehen
bewunderungswürdig. Eben ſo ſtellt ſich von ſehr
hohen Bergen aus geſehen die niedriger liegende Ge¬
ſtaltung der Erde dar. Sie muß aus einem erſtarren¬
den Stoffe entſtanden ſein, und ſtreckt ihre Fächer und
Palmen in großartigem Maßſtabe aus. Der Berg ſel¬
ber, auf dem ich ſtehe, iſt der weiße helle und ſehr
glänzende Punkt, den wir in der Mitte der zarten
Gewebe unſerer gefrorenen Fenſter ſehen. Die Pal¬
menränder der gefrorenen Fenſtertafeln werden durch
Abbröklung wegen des Luftzuges oder durch Schmel¬
zung wegen der Wärme lückenhaft und unterbrochen.
An den Gebirgszügen geſchehen Zerſtörungen durch
Verwitterung in Folge des Einfluſſes des Waſſers der
Luft der Wärme und der Kälte. Nur braucht die Zer¬
ſtörung der Eisnadeln an den Fenſtern kürzere Zeit

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[56/0070] Waſſer in unendlich kleinen Tröpfchen, die kaum durch ein Vergrößerungsglas erſichtlich ſind, aus dem Dunſte der Luft ſich auf die Tafeln unſerer Fenſter abſezt, und die Kälte dazu kömmt, die nöthig iſt, ſo entſteht die Decke von Fäden Sternen Wedeln Palmen und Blumen, die wir gefrorene Fenſter heißen. Alle dieſe Dinge ſtellen ſich zu einem Ganzen zuſammen, und die Strahlen die Thäler die Rücken die Knoten des Eiſes ſind durch ein Vergrößerungsglas angeſehen bewunderungswürdig. Eben ſo ſtellt ſich von ſehr hohen Bergen aus geſehen die niedriger liegende Ge¬ ſtaltung der Erde dar. Sie muß aus einem erſtarren¬ den Stoffe entſtanden ſein, und ſtreckt ihre Fächer und Palmen in großartigem Maßſtabe aus. Der Berg ſel¬ ber, auf dem ich ſtehe, iſt der weiße helle und ſehr glänzende Punkt, den wir in der Mitte der zarten Gewebe unſerer gefrorenen Fenſter ſehen. Die Pal¬ menränder der gefrorenen Fenſtertafeln werden durch Abbröklung wegen des Luftzuges oder durch Schmel¬ zung wegen der Wärme lückenhaft und unterbrochen. An den Gebirgszügen geſchehen Zerſtörungen durch Verwitterung in Folge des Einfluſſes des Waſſers der Luft der Wärme und der Kälte. Nur braucht die Zer¬ ſtörung der Eisnadeln an den Fenſtern kürzere Zeit

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/70>, abgerufen am 22.11.2024.