Felder der Weinberge. Wenn aber die Bäume blüh¬ ten und das erste Laub sich entwickelte, ging ich schon dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch von manigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte mir nach und nach verschiedene Gegenden, an denen ich mich aufhielt, um sie genau kennen zu lernen, und zu genießen.
Mein Vater hatte gegen diese Reisen nichts, auch war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen gebahrte, sehr zufrieden. Es blieb nehmlich in jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem Grundvermögen gethan werden konnte. Ich spürte deßohngeachtet in meiner Lebensweise keinen Abgang. Ich strebte nach Dingen, die meine Freude waren, und wenig kosteten, weit weniger als die Vergnügungen, denen meine Bekannten sich hingaben. Ich hatte in Kleidern Speise und Trank die größte Einfachheit, weil es meiner Natur so zusagte, weil wir zur Mäßig¬ keit erzogen waren, und weil diese Gegenstände, wenn ich ihnen große Aufmerksamkeit hätte schenken sollen, mich von meinen Lieblingsbestrebungen abgelenkt hät¬ ten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten sich über meine Ordnung, und ich freute mich über ihre Freude.
Felder der Weinberge. Wenn aber die Bäume blüh¬ ten und das erſte Laub ſich entwickelte, ging ich ſchon dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch von manigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte mir nach und nach verſchiedene Gegenden, an denen ich mich aufhielt, um ſie genau kennen zu lernen, und zu genießen.
Mein Vater hatte gegen dieſe Reiſen nichts, auch war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen gebahrte, ſehr zufrieden. Es blieb nehmlich in jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem Grundvermögen gethan werden konnte. Ich ſpürte deßohngeachtet in meiner Lebensweiſe keinen Abgang. Ich ſtrebte nach Dingen, die meine Freude waren, und wenig koſteten, weit weniger als die Vergnügungen, denen meine Bekannten ſich hingaben. Ich hatte in Kleidern Speiſe und Trank die größte Einfachheit, weil es meiner Natur ſo zuſagte, weil wir zur Mäßig¬ keit erzogen waren, und weil dieſe Gegenſtände, wenn ich ihnen große Aufmerkſamkeit hätte ſchenken ſollen, mich von meinen Lieblingsbeſtrebungen abgelenkt hät¬ ten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten ſich über meine Ordnung, und ich freute mich über ihre Freude.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="52"/>
Felder der Weinberge. Wenn aber die Bäume blüh¬<lb/>
ten und das erſte Laub ſich entwickelte, ging ich ſchon<lb/>
dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch<lb/>
von manigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte<lb/>
mir nach und nach verſchiedene Gegenden, an denen<lb/>
ich mich aufhielt, um ſie genau kennen zu lernen, und<lb/>
zu genießen.</p><lb/><p>Mein Vater hatte gegen dieſe Reiſen nichts, auch<lb/>
war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen<lb/>
gebahrte, ſehr zufrieden. Es blieb nehmlich in<lb/>
jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem<lb/>
Grundvermögen gethan werden konnte. Ich ſpürte<lb/>
deßohngeachtet in meiner Lebensweiſe keinen Abgang.<lb/>
Ich ſtrebte nach Dingen, die meine Freude waren, und<lb/>
wenig koſteten, weit weniger als die Vergnügungen,<lb/>
denen meine Bekannten ſich hingaben. Ich hatte in<lb/>
Kleidern Speiſe und Trank die größte Einfachheit,<lb/>
weil es meiner Natur ſo zuſagte, weil wir zur Mäßig¬<lb/>
keit erzogen waren, und weil dieſe Gegenſtände, wenn<lb/>
ich ihnen große Aufmerkſamkeit hätte ſchenken ſollen,<lb/>
mich von meinen Lieblingsbeſtrebungen abgelenkt hät¬<lb/>
ten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten<lb/>ſich über meine Ordnung, und ich freute mich über<lb/>
ihre Freude.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[52/0066]
Felder der Weinberge. Wenn aber die Bäume blüh¬
ten und das erſte Laub ſich entwickelte, ging ich ſchon
dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch
von manigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte
mir nach und nach verſchiedene Gegenden, an denen
ich mich aufhielt, um ſie genau kennen zu lernen, und
zu genießen.
Mein Vater hatte gegen dieſe Reiſen nichts, auch
war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen
gebahrte, ſehr zufrieden. Es blieb nehmlich in
jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem
Grundvermögen gethan werden konnte. Ich ſpürte
deßohngeachtet in meiner Lebensweiſe keinen Abgang.
Ich ſtrebte nach Dingen, die meine Freude waren, und
wenig koſteten, weit weniger als die Vergnügungen,
denen meine Bekannten ſich hingaben. Ich hatte in
Kleidern Speiſe und Trank die größte Einfachheit,
weil es meiner Natur ſo zuſagte, weil wir zur Mäßig¬
keit erzogen waren, und weil dieſe Gegenſtände, wenn
ich ihnen große Aufmerkſamkeit hätte ſchenken ſollen,
mich von meinen Lieblingsbeſtrebungen abgelenkt hät¬
ten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten
ſich über meine Ordnung, und ich freute mich über
ihre Freude.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/66>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.